Herbert Motter

1057 Varianten fürs Kreuzchen

November 2016

Eine Vielfalt politischer Parteien stellt ein wesentliches Kriterium für Demokratien dar. Österreichs Parteienlandschaft ist auf alle Fälle mannigfaltig. Dabei hat sie einige besondere Schmankerl für das entscheidende Volk parat: Von der „A.R.S.C.H. Partei“ über das „Leben ist eine bewegliche Einheit (L.i.e.b.E.)“ bis zur Partei „UngüLtiG“ („Union nicht genug überdachten Lächelns trotz innerer Genialität“). Der Fantasie sind (fast) keine Grenzen gesetzt.

Voraussetzung für die Bildung von Parteien war die Durchsetzung der konstitutionellen Monarchie, die mit der Dezemberverfassung 1867 abgeschlossen wurde. Die Ausweitung des Wahlrechts führte dann in weiterer Folge zur Entstehung von „Massenparteien“ gegenüber den damaligen liberalen und nationalen „Honoratiorenparteien“. Parteien im heutigen Verständnis – mit nennenswerten Mitgliederzahlen und einer dauerhaften Organisation sowie stabilen Fraktionen im Parlament (Parlamentsklubs) – entstanden in Österreich im letzten Viertel der Monarchie.

Zwar sind aktuell nur sechs von ihnen im österreichischen Parlament vertreten, doch die Zahl der eingetragenen politischen Parteien ist im Herbst 2016 auf 1057 angestiegen. Bei einer Vielzahl handelt sich jedoch um Karteileichen, andere wiederum wurden als Spaßvereinigungen ins Leben gerufen, um dem Konventionellen den Krieg zu erklären, oder sie haben bloßen Aktionismus einzelner Wutbürger zum Ziel. Jüngster Neuzugang (September 2016) in der Parteienfamilie ist die „5 Sterne für Österreich – Partei für direkte Demokratie, nachhaltige Wirtschaft, saubere Politik, Gleichstellung sowie öffentliche und private Sicherheit“.

Lange Zeit war es ein gut gehütetes Geheimnis, welche Parteien es in Österreich tatsächlich gibt. Erst seit einer Novelle im Jahr 2012 werden alle Parteinamen verraten. Ein Blick auf diese Liste des Innenministeriums zeigt, dass in den letzten Jahrzehnten immer mehr politische Parteien und Wählergruppen gegründet wurden, bei denen programmatische Inhalte weniger wichtig sind als der Unterhaltungswert ihrer Aktionen. Die Gründung ist dementsprechend denkbar einfach. Es mag verwundern, aber in Österreich ist es komplizierter, ein Auto anzumelden, als eine Partei zu gründen. Die rechtliche Grundlage dafür bietet das Parteiengesetz aus dem Jahr 2012. Einzige Voraussetzung: Parteien müssen Satzungen beschließen und im Internet veröffentlichen. Diese Satzungen sind beim Bundesministerium für Inneres zu hinterlegen, und schon erlangt die Gruppierung Rechtspersönlichkeit. Auch inhaltlich sind den Parteigründern nur wenige Grenzen gesetzt – außer man verstößt gegen ein Verfassungsgesetz, insbesondere gegen das Verbotsgesetz. Dann war’s das.
Während in Deutschland Parteien schon bei der Gründung glaubhaft machen müssen, dass sie zu Wahlen antreten wollen, wird in Österreich auf eine solche Prüfung verzichtet. Auch deshalb ist es nicht immer ganz so leicht zu eruieren, wofür diese Gruppierungen in unserer Republik eigentlich stehen. Einen Versuch ist es dennoch wert.

Nehmen wir die „Alpine Pogo-Partei Österreich“ („APPÖ“). Entstanden 2006, strebt sie nach Wohlstand durch Dekadenz. „Motor dieses Bestrebens ist die Bequemlichkeit, die im Naturell der Menschheit liegt“, heißt es im Grundsatzprogramm. 1986 wurde die „A.R.S.C.H. Partei“ angemeldet, die Abkürzung für „Autonom revolutionär subversiv chaotische Hackler Partei“. Ein gewisses Frustpotenzial lässt sich hier nicht ganz abstreiten. „Die Rebellen vom Liang Shan Po“ („D.R.V.L.S.P.“) waren schon drei Jahre früher angemeldet worden, vermutlich von einem großen Bewunderer der gleichnamigen japanischen Fernsehserie, die Anfang der 1980er-Jahre ins deutsche Fernsehen gekommen war. Programmatische Zielsetzung? Wie bei fast allen unbekannt.

Auffallend viele Gruppierungen schwören dem Wahlvorgang an sich ab – seit 2008 die Partei „ICH WÄHLE NICHT“, ebenso die seit 1978 bestehende „Österreichische-Partei-für-alle-Nichtwähler“, die „Partei der Nichtwähler“ von 1979 und „UngüLtiG“ („Union nicht genug überdachten Lächelns trotz innerer Genialität“) von 1986. Ursprünglich in Deutschland um des Scherzes willen gegründet, auf dem Wahlzettel sein Kreuz neben dem Wort „UngüLtiG“ machen zu können, verfügte die Partei ab 1987 über einen Ableger in Österreich. Unter anderem trat sie für einen friedfertigen Umgang mit fremden Universen und die Umwandlung von Autobahnen in Therapiezonen zum Abbau von Aggressionen ein. Aber auch die Infragestellung der eigenen Existenz dient immer wieder als Programm, etwa bei „NICHT – Erste Österreichische Nicht-Partei“ („NICHT“) von 2014 oder bei der 2005 gegründeten „Keine-Partei“. Märchenhaft wird es mit der „Heinzelmännchenpartei“, die sich ursprünglich „Frank-Stronach-Partei“ nannte, sich nach einer Klage des Magna-Chefs aber einen neuen Namen gab, und den „ROTSTILZCHEN“, 1986 aus der Hausbesetzer-Szene gegründet. Anfang der 1980er-Jahre traten auch Satanisten mit der Bewegung „Teuflische Aktion“ („T. A.“) auf die politische Bühne. Bedenklich stimmen einen angemeldete Parteien wie „DEUTSCH-VÖLKISCHE PARTEI“, die „NATIONALE FRONT“, die „Nationalistische Befreiungs Front“ („NBF“) oder die „Nationale Rechtspartei – NRP“. Nicht wenige schrammen haarscharf am Verbotsgesetz vorbei.

Welchen Umständen wir die Gründung der „Partei für den gemäßigten Fortschritt in den Grenzen des Gesetzes“ („P.f.d.g.F.i.d.G.d.G.“), der „PARTEI DER FAULEN UND FEIGEN“ („PFF“), von „Liebe“ („LIEBE“) oder „HAUSFRAUENKARTELL“, des „Vegetarisch-Egalitären Bündnisses“, der „IndianerInnenpartei mit Hausverstand Österreichs“ („IÖ“) oder der „Partei für sexuelle Ausschweifungen“ („P.S.A.“) zu verdanken haben, bleibt wohl im Verborgenen. Ein Blick ins Parteiprogramm wäre sicher interessant.

Österreichs Parteienlandschaft kann sich eines jedenfalls nicht nachsagen lassen: dass sie nicht bunt wäre! Letztendlich spiegelt sie alle Bedürfnisse und Wünsche der Menschen in unserem Land wider. Ob gut für die Demokratie, tja, das entscheiden die Wählerin und der Wähler, falls neben den etablierten Parlamentsparteien die 1051 Gruppierungen irgendwo außerhalb der Ministeriumsliste jemals zur Wahl stehen.

Top 10 der schrillsten Parteien in Österreich

  1. Union nicht genug überdachten Lächelns trotz innerer Genialität („UngüLtiG“)
  2. Die Rebellen vom Liang Shan Po („D.R.V.L.S.P.“)
  3. IndianerInnenpartei mit Hausverstand Österreichs („IÖ“)
  4. Leben ist eine bewegliche Einheit („L.i.e.b.E.“)
  5. Autonom revolutionär subversiv chaotische Hackler Partei („A.R.S.C.H. Partei“)
  6. Partei für den gemäßigten Fortschritt in den Grenzen des Gesetzes („P.f.d.g.F.i.d.G.d.G.“)
  7. Partei für sexuelle Ausschweifungen („P.S.A.“)
  8. Vegetarisch-Egalitäres Bündnis („Die VegetarierInnen“, „VEB“)
  9. PARTEI DER FAULEN UND FEIGEN („PFF“)
  10. Keine-Partei

 

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