Peter Freiberger

40 Brandstiftungen in jedem Jahr

Mai 2017

Eine unheimliche Serie von Brandstiftungen versetzt derzeit Bludenz in Schrecken. In ganz Vorarlberg werden jährlich im Durchschnitt 400 Brände polizeilich gemeldet. Davon gehen rund zehn Prozent auf das Konto von Brandstiftern. Meist stecken primitive Motive hinter den Taten.

Ein Holzspielhaus eines Kindergartens, das in Flammen aufging und eine brennende Müllstation direkt neben einem Wohnblock – das sind die bei Redaktionsschluss letzten Fälle von insgesamt zwölf Brandstiftungen seit Februar 2017 in Bludenz, bei denen überwiegend Müllcontainer beziehungsweise Müllsäcke angezündet wurden. Die Exekutive hat zwar eine Verdächtige ausgeforscht, für sämtliche Brände kommt die 29-Jährige aber wohl nicht infrage. Interessanter Aspekt: Die Müllstation, die bei der Wohnanlage am Grete-Gulbranssonweg brannte, war einigen Hausbewohnern ob der Geruchsemissionen ein Dorn im Auge. In einem Fall mussten zwei Personen mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus gebracht werden.

Das Landeskriminalamt führt genaue Aufzeichnungen über sämtliche gemeldete Brände in Vorarlberg. „Etwa zehn Prozent sind auf Brandstiftungen zurückzuführen“, weiß Ermittler Heliodor Seitlinger. In einer konkreten Zahl ausgedrückt: Ungefähr 40 Mal pro Jahr wird im Land ein Feuer gelegt.

Freilich – die Dunkelziffer liegt vermutlich viel höher, denn in 40 bis 60 Fällen im Jahr lässt sich laut Seitlinger die Brandursache nicht mehr eindeutig eruieren. Wenn dann beispielsweise ein elektrischer Defekt festgestellt wird und gleichzeitig Scheiben eingeschlagen sind, kann man nicht ausschließen, dass jemand gezündelt hat.

Der klassische Pyromane, landläufig als „Feuerteufel“ bezeichnet, tritt auch in Vorarlberg in Erscheinung. Maximal zwei bis drei Mal jährlich müssen sich die Kriminalisten mit Fällen beschäftigen, bei denen Menschen aus einer krankhaften Veranlagung heraus Brände legen – und dies gleich mehrfach.

Rache und Neid als Motive

Ermittler Seitlinger hat die Erfahrung gemacht, dass Menschen in der Regel aus niederen Motiven zu Brandstiftern werden. Dazu zählen Rache, wenn etwa jemand aus seiner Sicht ungerechtfertigt entlassen wurde, oder Neid. Hin und wieder ist eine Brandstiftung überdies das Ergebnis einer Kurzschlusshandlung unter Alkoholeinfluss. Nicht selten bringen sich die Täter dabei selbst in Gefahr.

Der Kriminalist hat bereits einige kuriose wie überraschende Geschichten erlebt. So waren sich vor Jahren zwei Sachverständige nicht einig über die Ursache eines Feuers, bei dem in Wolfurt ein Barackengebäude in Flammen aufging. Einer bestand auf einen kaputten Elektroherd als Auslöser, der andere hielt eine defekte Elektrospeicherheizung für den Grund. Der Fall landete bei den Akten.

Viele Jahre darauf meldete sich ein Mann bei der Polizei. Zur Überraschung der Beamten gestand er, damals das Feuer gelegt zu haben. Eine Eingebung habe ihn dazu gebracht, inzwischen hatten ihn moralische Bedenken fest im Griff. Er konnte nicht mehr anders als sich den Behörden „anzuvertrauen“.

Die spektakuläre Brandserie in Hohenems, bei der zwischen 2007 und 2009 ein zunächst Unbekannter mehrere Häuser und Autos in Brand setzte, hat Seitlinger ebenfalls noch in lebhafter Erinnerung. Dies jedoch nicht allein aufgrund des aufsehenerregenden Falls. Nein – der überführte Täter hat aus der Haft über seinen Psychiater Kontakt zu den Brandermittlern gesucht. Dabei hat er von sich aus weitere Brandstiftungen zugegeben. Das „Warum“ konnte sich der mutmaßliche Pyromane selbst nicht erklären. Der gesamte Sachschaden lag bei knapp einer Million Euro.

Wenn ein Brand gelegt ist, gerieten früher oft vermeintlich übermotivierte junge Feuerwehrmänner in den Fokus der Ermittlungen. Die Zeiten haben sich jedoch geändert. Die Kriminalisten hatten in den vergangenen fünf Jahren lediglich einmal mit einem solchen Fall zu tun. Seitlinger führt dies auch auf die Strukturen bei den Feuerwehren zurück: Wer einer Feuerwehr beitreten möchte, werde im Vorfeld genau unter die Lupe genommen.

„Warm“ wird seltener „abgetragen“

Merklich zurückgegangen sei jene Art von Brandstiftung, die landläufig unter „Warm abtragen“ firmiert: Jemand setzt ein Gebäude in Brand, um die Versicherungssumme zu kassieren. Zu dieser positiven Entwicklung beigetragen habe unter anderem, dass die Versicherungen heute auf den Wiederaufbau bestünden.

Die Aufklärungsquote bei Brandstiftung liegt in Vorarlberg zwischen 55 und 60 Prozent. Zur erfolgreichen Tätigkeit der Ermittler leisten die Feuerwehren ebenfalls ihren Beitrag. „Unsere Arbeit steht und fällt mit den Spuren“, erläutert Seitlinger. Wenn das Feuer oder die Feuerwehrarbeit diese zerstört, bleiben den Kriminalisten nur noch wenige Möglichkeiten, einen Täter auszuforschen. „Die Feuerwehren agieren bei ihren Einsätzen sehr effektiv, aber nicht brachial“, zollt Seitlinger den Florianijüngern Lob. Auf diese Weise bleiben wichtige Spuren in der Regel erhalten – der Schlüssel zum Ermittlungserfolg.

Nicht allein spektakuläre Fälle prägen sich im Gedächtnis der Kriminalisten ein. Brände mit Todesopfern lassen sie ebenfalls nicht mehr los. Ein bis zwei Menschen verlieren in Vorarlberg jährlich bei Bränden ihr Leben – nicht selten unter tragischen Umständen. So wurde 2016 ein schwer gehbehinderter Mann von einem Feuer im Keller überrascht, vor dem er nicht mehr fliehen konnte. Immerhin – Kinder als Opfer von Bränden gab es in den vergangenen Jahren keine zu beklagen.

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