Mathias Huter

Amtsgeheimnis! Der gläserne Staat lässt auf sich warten

Mai 2018

Bis zu 7500 Euro. So teuer kann es werden, wenn man sich als Bürger für das Wahlrecht interessiert. Dann nämlich, wenn man eine Anfrage an alle 573 Gemeinden Niederösterreichs stellt und wissen will, wie Bürgermeister ein neues, vages Wahlrecht angewendet haben, und wie viele Personen mit Nebenwohnsitz bei der Landtagswahl im Jänner nicht wählen durften. Mehrere Gemeinden erteilten rasch die gewünschten Auskåünfte. Viele Bürgermeister mauerten jedoch und forderten zugleich Gebühren von 14,3 Euro bis 22 Euro fürs Nachfragen – obwohl es dafür keine solide gesetzliche Basis gibt. Der Bürger wird zum Bittsteller.

Ein gläserner Staat, der seinen Wissensstand zugänglich macht, ermöglicht ein Verhältnis zwischen Bürgern und Verwaltung auf Augenhöhe. Die Transparenz soll erst dann enden, wenn Dritten ein Schaden entsteht – etwa, wenn die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern betroffen ist.

Große Teile der heimischen Verwaltung sind jedoch noch heute von einer Bestimmung geprägt, die aus Zeiten der Monarchie stammt: dem Amtsgeheimnis. Österreich hat als letzte Demokratie Europas eine solche Verschwiegenheitsverpflichtung in der Verfassung stehen.

Aufträge in Höhe von mehr als 40 Milliarden Euro vergibt die öffentliche Hand pro Jahr. Was gekauft wird, von wem, und zu welchen Konditionen? Amtsgeheimnis. Welche Subventionen fließen wofür? Nicht nachvollziehbar. Was mit unserem Steuergeld passiert und auf welcher Basis Politik und Verwaltung Entscheidungen treffen, bleibt für die Öffentlichkeit oft im Dunkeln. Ein konstruktives Einbringen von Bürgern wird so erschwert oder unmöglich.

Anderswo haben Bürgerinnen und Bürger längst ein Recht auf Wissen: Knapp 120 Länder räumen heute ein Recht auf Zugang zu Behördeninformation ein. Im „Right to Information“-Rating, das bewertet, wie umfassend und bürgerfreundlich dieser Zugang gesetzlich geregelt ist, liegt Österreich seit Jahren an allerletzter Stelle – hinter Tadschikistan, den Philippinen und Liechtenstein, das, zumindest auf dem Papier, mehr Transparenz zulässt als Österreich.

Ein starkes Recht auf Information würde etwa ermöglichen, dass Studien, Gutachten und Messdaten, die die öffentliche Hand mit Steuergeldern finanziert und die bislang auf Festplatten und in Aktenordnern der Verwaltung schlummern, von Wirtschaft, Forschung und Bürgern genutzt werden können.

Seit den 1980er-Jahren müssen Behörden nach dem Auskunftspflichtgesetz zwar auf Anfrage binnen acht Wochen über „Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen“ – soweit dem keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht. Neben dem Amtsgeheimnis gibt es weitere Gründe für Auskunftsverweigerung: So wird oft behauptet, die Beantwortung sei zu viel Aufwand für die Behörde, und überhaupt gebe es keine gesetzliche Basis dafür, dass Bürger Zugang zu Dokumenten bekommen können. Wie weit die Amtsverschwiegenheit im Einzelfall reicht, bleibt oft Auslegungssache.

Wie es anders gehen kann, zeigt Hamburg. Die Hansestadt hat sich nach dem Skandal um den Bau der Elbphilharmonie ein Transparenzgesetz verpasst: Neben Beschlüssen und Verträgen von öffentlichem Interesse müssen auch alle Gutachten und Studien, die von Behörden in Auftrag gegeben wurden oder in eine Entscheidung einfließen, sowie Subventionszahlungen online veröffentlicht werden. Würde Österreich dieses Prinzip übernehmen, könnte endlich Transparenz bei Förderungen und Vergaben geschaffen werden, geheime Subventionen – Stichwort: Dr. Erwin Pröll Privatstiftung – wären so unmöglich.

In der Slowakei gilt seit 2011 eine verpflichtende Veröffentlichung von Verträgen der öffentlichen Hand: Diese werden erst gültig, wenn sie für alle einsehbar im Internet stehen. Binnen weniger Jahre ist die Zahl der bei Ausschreibungen mitbietenden Unternehmen um die Hälfte gestiegen. Gleichzeitig sind die Fälle, in denen der Staat ohne Wettbewerb direkt von einem Lieferanten kauft, stark zurückgegangen, zeigt eine Studie der Antikorruptionsorganisation Transparency International Slovakia. Offenheit schafft Vertrauen in den Staat und hilft dabei, dass Steuergelder möglichst effizient verwendet werden. Das Modell macht Schule: Auch Tschechien veröffentlicht mittlerweile staatliche Aufträge online. In Österreich ist das weiterhin unvorstellbar. Amtsgeheimnis.

2013 war Sebastian Kurz, damals Integrations-Staatssekretär, der erste Regierungspolitiker, der die Forderung nach einem Transparenzgesetz unterstützte: Es brauche einen gläsernen Staat statt gläserner Bürger. SPÖ und ÖVP beendeten Verhandlungen im Parlament zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses und der Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes jedoch im vergangenen Sommer ohne Ergebnis. Im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ findet sich dazu leider kein Wort mehr. Im April wurden die Überwachungskompetenzen des Staats massiv ausgeweitet; für mehr staatliche Transparenz gibt es bislang keinerlei konkrete Pläne.
Wer dennoch nachfragt, muss damit rechnen, mit wenig neuen Erkenntnissen aber einer saftigen Rechnung abgespeist zu werden.

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