Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Brandalarm am Bödele

März 2018

Nachdem am 3. Februar 1938 in den frühen Morgenstunden das Alpenhotel am Bödele bis auf die Grundmauern abgebrannt war, berichtete das „Vorarlberger Volksblatt“ am darauffolgenden Tag über das ganze Ausmaß des verheerenden Feuers: „Gestern gegen vier Uhr früh bemerkte eine Serviererin in ihrem Raum Rauch, worauf sie sämtliche Angestellte alarmierte. Der Brand entstand im Altbau in einem neben dem Heizraume befindlichen Raume, in welchem sich circa 30 dürre Tannenreisbuscheln befanden.“ Aufgrund der Jahreszeit und der damaligen Straßenverhältnisse trafen die Feuerwehren aus Dornbirn und Schwarzenberg erst ein, als das Feuer neben dem Altbau auch schon den Neubau ergriffen hatte. Nur die abseits gelegenen Wirtschaftsgebäude wurden kein Raub der Flammen. „Die im Hotel befindlichen Angestellten konnten nur das nackte Leben retten, während ihre Barschaften und Kleider dem Feuer zum Opfer fielen.“

Von der Ruine des Hotels sind außergewöhnliche Fotografien erhalten geblieben, da sich der passionierte Fotograf Norbert Bertolini vermutlich gerade in seinem Landhaus auf dem Bödele aufgehalten hatte. Noch ein Jahr vor dem Brand hatte das Alpenhotel eine Werbebroschüre veröffentlicht, in der das Bödele bereits als Höhenluftkurort und internationaler Wintersportplatz angepriesen wird. Schon 1908 lesen wir in einer Publikation, dass die landwirtschaftliche Nutzung der Vorsäßhütten der Vergangenheit angehörte: „Wo einst der alte Bergwirt Klocker den Wanderer labte und der Wälder gegen Weihnacht mit seinem Vieh die Maisäßhütte bezog, um das Spätheu zu verfüttern, hat heute der Fremdenverkehr und der Wintersport Einzug gehalten.“ Seit 1902 hatte der Textilfabrikant Otto Hämmerle nach und nach das gesamte Vorsäß Oberlose mit seinen 14 Hütten gekauft, um diese zu einer komfortablen Ferienkolonie für sich und seine Bekannten umzubauen. Als gesellschaftliches und wirtschaftliches Zentrum ließ er anstelle des Gasthofs Klocker das weitläufige Alpenhotel errichten. Etwas westlich davon bildete sich an der Seewarte, nahe des heutigen Naturschutzgebietes Fohramoos, eine kleine Ansammlung von Ferienhäusern, die meist wohlhabenden Dornbirnern gehörten. Einer der Besitzer war seit 1932 Norbert Bertolini, dessen Mutter Maria der Textildynastie Rhomberg entstammte. Das Vermögen der eigenen Familie und die Heirat mit der reichen Kaufmannstochter Eleonore Stückle aus Ulm erlaubten es Bertolini, ein Leben als Privatier zu führen und sich ausgiebig seinem Hobby, der Fotografie, zu widmen. Die Motive seiner zahlreichen Aufnahmen waren die engere Heimat sowie die zahlreichen Ausfahrten mit seinem BMW Wartburg Cabrio, die ihn vor allem nach Oberitalien und insbesondere in die Dolomiten führten. Die meisten der fast 2000 Aufnahmen sind stereo­skopisch, was auch für die damalige Zeit ungewöhnlich war.
Unter Stereoskopie versteht man die Wiedergabe von Bildern, die einen räumlichen Eindruck von Tiefe erwecken, der physikalisch nicht vorhanden ist. Das umgangssprachliche „3D-Bild“ ist in Wirklichkeit ein „Raumbild“. Es entsteht, weil Menschen durch ihre Augen die Umgebung gleichzeitig aus zwei Blickwinkeln betrachten und das Gehirn automatisch allen Objekten eine Entfernung zuordnet. Mit einer Stereokamera, die mit zwei Objektiven im Augenabstand ausgestattet ist, werden die beiden benötigten Teilbilder gleichzeitig aufgenommen. Der schottische Physiker Sir David Brewster konstruierte 1849 die erste Stereokamera mit zwei Objektiven, die bereits 1851 auf der Weltausstellung in London großes Aufsehen erregte. Das zur Betrachtung benötigte technische Hilfsmittel war meist ein sogenannter Stereo-Bildbetrachter mit Optikaugen und verschiebbarer Halterung. Hier konnte man das entwickelte Doppelbild einspannen und die Entfernung zu den Augen subjektiv anpassen. Ebenfalls sehr beliebt war das Anaglyphen-Verfahren, bei dem die Teilbilder in grün und rot übereinander gedruckt werden. Der räumliche Eindruck entsteht dann durch die Betrachtung mit einer Farbfilterbrille.

Die Sammlung Bertolini, die fast 2000 Glasplatten umfasst, gelangte 2017 aus Privatbesitz in die Vorarlberger Landesbibliothek. In Kooperation mit dem „vorarlberg museum“ sind dort im Rahmen einer noch bis zum 15. April dauernden Ausstellung die interessantesten Aufnahmen zu sehen.

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