Sabine Barbisch

Conrad Amber: Ein Leben in zwei Welten

März 2016

Der Name Conrad Amber ist eng mit dem Engagement für alte Bäume und unberührte Wälder verbunden. Allein auf Facebook folgen ihm fast 8000 Menschen, mit über 4000 ist er befreundet. Von seinem Erstlingswerk „Baumwelten – und ihre Geschichten“ wurden in weniger als einem Jahr fast 10.000 Exemplare verkauft, bald folgt die zweite Auflage. Und doch kennt kaum jemand sein Gesicht – denn der klingende Name ist ein Pseudonym.

Seit meiner Kindheit bewege ich mich im Wald. Bäume begleiten mich, ihre Stärke und Dauerhaftigkeit, ihre tiefe Verwurzelung faszinieren mich“, so beschreibt Conrad Amber seine besondere Beziehung zu den hölzernen Riesen. Deshalb setzt er sich für die Wertschätzung der Bäume als Lebewesen, für eine dauerhafte und sinnvolle Holznutzung und vor allem auch für den Schutz der Bäume ein. „Ein Leben ohne Bäume ist nicht möglich – Bäume regeln den Wasserhaushalt in der Luft und im Boden, sie säubern unsere Luft vom Feinstaub, bieten Tieren und Pflanzen einen Lebensraum“, betont der passionierte Fotograf und pocht auf Vielfalt statt Monokultur in den heimischen Wäldern. „In Vorarlberg gelten 150-jährige Bäume als alt, in einem Wald in Hessen, wo nachweislich schon die Gebrüder Grimm Station machten, sind die Bäume im Schnitt über 500 Jahre alt. Wenn man sich in diesem Wald bewegt, hat das eine enorme Wirkung auf einen und man ist verzaubert, weil man diese Optik gar nicht kennt. Solche Urwälder, wie es sie auch in anderen Regionen Europas noch gibt, begeistern mich, weil sie neben den knorrigen Bäumen auch für zahlreiche Schmetterlings- und Vogelarten einen Lebensraum darstellen, es gibt viele unterschiedliche Pilzarten und es herrscht ein ganz eigener Duft.“ Amber sagt, er könne mindestens zehn Wälder allein anhand von deren Gerüchen und Geräuschkulisse erkennen.

Bilder, wenn Sprache fehlt

Weil solch tiefe Wälder nicht gleich neben einer Straße beginnen, ist Conrad Amber oft viele Stunden unterwegs, bis er sein Ziel erreicht. Und „weil ich nicht immer eine Sprache für diese bedeutenden Erlebnisse habe, mache ich Fotos von den Bäumen und Wäldern und schreibe eben keinen Roman“, gibt Amber einen Einblick in seine Herangehensweise. Ihm ist es ein großes Anliegen, zu zeigen, welche Schätze der Natur uns umgeben, und auch die Bestrebung, das zu erhalten, treibt ihn an. Sein Buch „Baumwelten – und ihre Geschichten“ ist ein erster Schritt. Das Material für sein Erstlingswerk hat er über fünf Jahre gesammelt, dazu in einem Umkreis von etwa 700 Kilometern rund 28.000 Kilometer zurückgelegt und dabei uralte, unberührte Wälder und „Baumpersönlichkeiten“ besucht und porträtiert. Die Strapazen, die Amber für den Weg dorthin meist auf sich nimmt, sind da­rin nicht zu sehen: „Auf der Suche nach einem ganz bestimmten Baum bin ich schon oft stundenlang herumgeirrt und habe viele Wanderungen umsonst gemacht. Weil ich in Wildnis ähnlichen Gebieten meist ohne Handyempfang unterwegs bin und es weder Hütten noch Beschilderungen gibt, habe ich neben meiner Fotografie-Ausrüstung Wasser und Proviant dabei, und im Notfall kann ich immer auf einem Moosteppich, zugedeckt mit Laub, übernachten.“

Der Weg zur zweiten Identität

Für diese Passion hat er sich vor etwa acht Jahren ein Pseu­donym ausgedacht. „Als ich mit der Naturfotografie anfing, interessierten sich Hotels, Thermen und auch Krankenhäuser für meine Werke. Da ich eine klare Trennung zu meinem eigentlichen Beruf wollte und die Bilder ihrer selbst wegen und nicht wegen meines Namens gefallen sollten, habe ich mich entschieden, ein Pseudonym zu verwenden“, erzählt Amber. Die Namensfindung war für ihn einfacher, als man sich das vielleicht vorstellen würde: „Der Name Conrad Amber ist einzigartig, gleichzeitig urig und doch international; er hat einen schönen Klang und hat mit Baum und Natur zu tun, weil die Amber eine Laubbaumart ist.“ Im Alltag bedeutet das Spiel mit zwei Namen aber doch eine gewisse Herausforderung: „Meine E-Mails und sonstigen Korrespondenzen sind streng getrennt, ich besitze auch zwei Mobil­telefone. Das bedeutet natürlich ein starkes Training fürs Gehirn“, lacht Amber. Für ihn ist es eine Art „Leben in zwei Welten“, in denen er aber nie schauspielert oder sich gar verleugnet. „Im Alltag gibt es ein Korsett, als Conrad Amber definiere ich vieles neu – da gehe ich über Zwänge und Gewohnheiten hinweg und lebe eine neue Facette von mir aus, die ich zuvor vielleicht schon hatte, aber nicht ausleben konnte oder wollte.“

Die Verwandlung

Wenn es die Zeit zulässt, versucht Amber Termine, die seine eigentliche Tätigkeit betreffen, mit seiner Leidenschaft für Bäume und Wälder zu verbinden. „Ich reise immer mit zwei Gepäckstücken: Eines enthält Anzüge und Businesskleidung, das andere meine Wander- und Fotografie-Ausrüstung.“ Als Geschäftsmann schätze er den Luxus eines komfortablen Hotels mit allen technischen Möglichkleiten, als Conrad Amber checkt er lieber in der kleinen Provinzpension ein. Und noch eines findet bei der Verwandlung zu Conrad Amber immer statt: „Ich wechsle die Plastik- mit meiner Holzbrille.“ Hinterfragt wird sein Name erstaunlicherweise nie: „Ich bin immer ehrlich, nur mein Name stimmt eben nicht. Von meinen 4000 Facebook-Freunden kennen mich etwa zehn Prozent wirklich, die anderen folgen mir, weil sie sich mit mir über das Natur-Thema verbunden fühlen.“

Zukunft der „Baumwelten“

Conrad Ambers neues Buchprojekt wird in Anlehnung an den ersten Titel voraussichtlich „Zukunft der Baumwelten“ heißen. Es geht um das Leben mit Bäumen und darum, alte Traditionen wiederzubeleben wie zum Beispiel den Hausbaum oder Denkmal-Bäume. „Damit überdauern uns die Bäume. Werden sie zusätzlich mit einer Gedenktafel versehen, trägt das zum Schutz des Baumes bei“, erklärt Amber und regt an, auch über den touristischen Nutzen von außergewöhnlichen Baumpersönlichkeiten nachzudenken: „Durch sie wird die Eigenart einer Landschaft hervorgehoben. Man kann Wanderungen und Foto-Touren dorthin anbieten oder von bekannten Bäumen Postkarten anfertigen. Wesentlich ist, dass wir nicht den Zufall über unsere Bäume entscheiden lassen – denn sie sind lebende und wertvolle Schmuckstücke unserer einzigartigen Landschaft.“

Kommentare

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ungewöhnlich aber spannend! Gut recherchiert!
Vielen Dank für diese netten Worte. Ich werde Ihr Feedback gerne an die Autorin weitergeben.