Werner Matt

Der Dornbirner Marktplatz

April 2015

Dornbirn hat sich vom alemannischen Dorf zur größten Stadt Vorarlbergs entwickelt – aus einer kleinen Bauernsiedlung entstand eines der Textilzentren der Monarchie.

Am Wechsel vom 20. zum 21. Jahrhundert schaffte die Stadt innerhalb weniger Jahrzehnte eine Neuorientierung als Wirtschaftszentrum im Rheintal mit einer sehr differenzierten, qualitätsvollen Wirtschaftsstruktur. Ohne die Wandlungsfähigkeit der Gemeinde und ihrer Menschen wäre das nicht möglich gewesen. Die wechselvolle Geschichte lässt sich auch anhand der Entwicklung des Marktplatzes nachverfolgen.

Bis weit in die Neuzeit besaß Dornbirn eine dezentrale, landwirtschaftlich orientierte Wirtschaftsstruktur. Obwohl die einzelnen Dorfkerne und Weiler weit auseinander lagen, gab es immer nur ein Zentrum, denn von Hatlerdorf, vom Oberdorf oder auch von Haselstauden aus ging man früher immer ins „Dorf“ – hier gab es die Kirche, die Verwaltung und besondere Geschäfte. Der Marktplatz, gesäumt von Gasthäusern, ist seit mehreren Jahrhunderten das absolute Zentrum Dornbirns.
Vor der Orientierung auf das Areal im Osten sah der Dorfkern ganz anders aus. Das Zentrum war eine Kirche, die weitaus älteste Stadtpfarrkirche Dornbirns: St. Martin. Ihr Eingang, wie bei allen katholischen Kirchen üblich, lag im Westen. Das Kirchengebäude war vom Friedhof umgeben und von einer Mauer geschützt.

Mit dem Bau der neuen Landstraße zwischen 1530 und 1540 begann eine Aufwertung des Platzes im Osten der Kirche, denn über diesen lief nun der Nord-Süd-Verkehr ganz Vorarlbergs. Hier fanden die großen Märkte statt, Wirtshäuser säumten diesen Platz. Manche kennen noch die Namen der Gasthäuser: Taverne (Marktplatz 3), Scharfeck (Marktplatz 6), Adler (Marktplatz 8), Sonne (Marktplatz 9), Weißes Kreuz (Marktplatz 10), Hirschen (Marktplatz 12), Engel (Marktplatz 13), Ilge (Eisenstraße 1), Lamm (Marktstraße 4), Freihof (Schulgasse 16) etc. Aus den Besitzerfamilien entwickelten sich viele der für Dornbirn bedeutenden Textildynastien und ein einflussreiches Bürgertum.

Mit dem Neubau der Pfarrkirche 1839/1840 entstand die größte Kirche Vorarlbergs, ein selbstbewusster Ausdruck eines starken Bürgertums in der größten Marktgemeinde der k. u. k. Monarchie. Die Architektur der Kirche war modern und hätte wohl genauso gut nach Innsbruck oder München gepasst. Wider die alten Gepflogenheiten war der Eingang zum geschäftigen Marktplatz hin verlegt worden, und damit musste der Hauptaltar, entgegen dem kirchlichen Usus, von Osten nach Westen wandern. Damit war nun auch durch die Ausrichtung der Pfarrkirche der heutige Marktplatz endgültig anerkannt.

Der Bau der Vorarlbergbahn 1872 bedingte die Anbindung des Marktplatzes an den Bahnhof und den Abriss des damaligen Pfarrhofs. 1902 führte die Trasse der elektrischen Bahn Dornbirn–Lustenau über den Marktplatz. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts drohte dann der Autoverkehr die Innenstadt zu ersticken, gleichzeitig sorgte die Entstehung von Einkaufszentren am Rand der Stadt für ökonomischen Druck auf das Zentrum.

Durch den Bau der Stadtstraße, die Einrichtung einer Fußgängerzone und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs gelang eine Wiederbelebung des Marktplatzes und der Achse zum Bahn- und Busbahnhof. Gleichzeitig wurde eine ganze Reihe von Kultureinrichtungen im Zentrum angesiedelt. Erwähnt sei hier die Ansiedlung von Stadtarchiv und Stadtmuseum am Marktplatz, der Stadtbücherei in der Schulgasse sowie der inatura, des Stadtgartens und des Kunstraums Dornbirn im Areal der ehemaligen Rüschwerke. Die äußerst gut besuchten Wochenmärkte sowie zahlreiche Veranstaltungen mit einem öffentlichen Angebot von hoher Qualität zeigen die Attraktivität des Dornbirner Marktplatzes. In den letzten Jahren haben die Jugend und Junggebliebene diesen Platz entdeckt, in lauen Sommernächten ist der Platz übervoll.

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