Peter Freiberger

Der „Postkartenräuber“ erfindet sich neu

Dezember 2016

Der „Postkartenräuber“, der bisher elf Raubüberfälle auf Banken und Poststellen in Vorarlberg verübte, verpasste sich in Sachen Maskierung einen Relaunch und betrat Neuland: Erstmals mit einer Spiderman-Maske über dem Kopf überfiel er im Juli und November Geldinstitute im deutschen Opfenbach (Landkreis Lindau) – seine „Premiere“ außerhalb von Vorarlberg. Wir haben die auffälligsten Kleidungsstücke des unbekannten Serienräubers zusammengefasst.

Dass der Mann, den die heimische Polizei seit August 2008 vergeblich jagt, einmal jenseits der Landesgrenze aktiv werden könnte, damit hatten die Vorarlberger Kriminalisten nicht gerechnet. „Das war eine Überraschung“, gibt Horst Spitzhofer, Pressesprecher der Landespolizeidirektion in Bregenz, zu. Der im Rahmen der Fahndung zu Hilfe gezogene Profiler hatte dies ebenfalls nicht vorhergesehen. Fazit: Es gilt, das kriminalistische Puzzle neu zusammenzustellen.
Die deutschen Medien sprechen nicht vom „Postkartenräuber“, sondern – wegen der Maske – vom „Spinnenmann“. Der „Spinnenmann“ musste beim Überfall im Juli freilich ohne Beute abziehen, denn in der Bank war schlicht nichts zu holen. Somit ist er in seiner jahrelangen Verbrecherkarriere bereits zum dritten Mal gescheitert. Zu Beginn der Serie, am 11. August 2008, hatte er in der Sparkassenfiliale Feldkirch-Altenstadt offenbar kalte Füße bekommen und unverrichteter Dinge wieder das Weite gesucht. Ein anderes Mal, in Bregenz, explodierte auf der Flucht das Alarmpaket. Ein schwacher Trost für die Opfer und die Kriminalisten, die – diesseits und jenseits der Grenze – im Dunkeln tappen.

Seit Dezember 2014, als der Räuber den Postpartner in Schwarzach überfiel, zieht sich die stets gleiche Kleidung des Manns beinahe wie ein roter Faden durch die Serie. In Schwarzach, Lochau (Sparkasse, 3. März 2015) und jetzt in Opfenbach trug er jeweils eine (türkis-)blaue Jacke mit dunkelblauen Applikationen an Schulter und Kapuze sowie eine dunkelblaue Hose (Bild 1). Beim Versuch in der Sparkasse Opfenbach dürfte er ebenfalls so angezogen gewesen sein.
Die Kriminalisten, die stark auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen sind, können fast nicht glauben, dass bisher niemand den Mann anhand der Kleidung identifizierte. Total auffällig war außerdem der blaugraue Pullover mit dem auffälligen Muster (Bild 2), den er am 28. Jänner 2016 (Sparkasse Feldkirch-Tisis) anhatte. Zweimal hatte er eine weiß-graue Mütze mit Sehschlitzen über den Kopf gezogen (Bild 4). Beim Überfall auf die Postfiliale Feldkirch-Tisis am 2. August 2010 versteckte er sein Gesicht hinter einem grauen Vollvisierhelm (Bild 5). Wohl als Provokation war auf dem Helm das Polizei-Logo aufgeklebt.

Dies scheint er als eine Art Fortsetzung seines „Dialogs“ mit der Exekutive getan zu haben. Der Polizei hatte er nach dem Überfall am 16. Juli 2009 (Sparkasse Bregenz-Weidach, explodiertes Alarmpaket) eine Postkarte geschrieben. Die betroffene Filiale (Bild 3) bekam ebenfalls Post vom Unbekannten, der Mythos des „Postkartenräubers“ war geboren.

Dass dem Mann mehrfach extrem das Glück zur Seite stand, trauen sich die Fahnder eigentlich gar nicht mehr zu kommunizieren. Geholfen hat ihm jedenfalls bisher seine total unauffällige Lebensweise. Im Umfeld des 45 bis 65 Jahre alten, rund 1,85 Meter großen Manns, der stets mit tiefer, rauer Stimme in Vorarl­berger Dialekt sprach, scheint keiner etwas zu ahnen. Bei der Ausforschung eines solchen Serientäters fehlt den heimischen Kriminalisten die praktische Erfahrung. Kein Wunder: Es gibt in Vorarlberg in der Kriminalhistorie keinen auch nur annähernd vergleichbaren Fall.

Österreichweit schaut das freilich ganz anders aus. Zwischen 2005 und 2009 beispielweise verübten drei Brüder insgesamt 14 Banküberfälle in Ober- und Niederösterreich sowie in der Steiermark. Der 14. Raub, bei dem einer der Täter auf einen privaten Wachmann schoss, diesen aber zum Glück verfehlte, ging schief. Verglichen mit diesem Verbrechertrio, das Beute in Millionenhöhe machte, handelt es sich beim „Postkartenräuber“ und „Spinnenmann“ eher um einen ganz armen Schlucker.

Dass es absolut möglich ist, ein unbemerktes Doppelleben als Serienbankräuber zu führen, hat Ende der 1990er-Jahre in Deutschland ein Mann bewiesen, der nicht weniger als 28 Banken überfiel. Der zunächst Unbekannte trug am Beginn meist eine rote Maske, die ihm den Spitznamen „Rotkäppchen“ bescherte. Oft lagen zwischen den Überfällen nicht mehr als 14 Tage, ähnlich wie der „Postkartenräuber“ profitierte er von Riesenglück. Bei Nummer 28 klickten freilich die Handschellen.

Als der Mann aufflog, reagierte sein Umfeld sprachlos. Niemand – nicht einmal die eigene Ehefrau – hatte etwas von der Verbrecherkarriere geahnt. Die fassungslose Gattin sagte nur: „Du machst ja Sachen …“ Sie hatte gemeint, ihr Mann habe eine Freundin. Auch die Identität des „Postkartenräubers“ wird wohl irgendwann bei vielen ungläubiges Staunen verursachen.

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