Martina Büchel-Germann

Die EU, mehr als ein Wirtschaftsprojekt

März 2018

Im Jahr 2017 hat die Europäische Union einen runden Geburtstag gefeiert: Sie wurde 60 Jahre alt. Trotz ihres „gesetzten Alters“ ist sie alles andere als unumstritten. Nur 38 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen haben in einer Umfrage Anfang 2018 die Frage bejaht, ob es die EU in 100 Jahren noch geben wird. Immerhin zwei Drittel geben dem 100-jährigen Österreich noch weitere 100 Jahre Bestand.

Dies ist in Zeiten schwindenden globalen Einflusses von Nationalstaaten bemerkenswert. Und sicher gilt es, die ökonomischen Vorteile der EU-Mitgliedschaft und die stärkere Stellung der in der EU zusammengeschlossenen Staaten im Weltgeschehen besser zu kommunizieren. Vor allem aber sollten wir ihren über die wirtschaftliche Kosten-NutzenRechnung hinausgehenden Wert als Modell für ein gelingendes Miteinander begreifbar machen.

In einer zunehmend von Unsicherheit und Polarisierung geprägten Welt bietet die EU einen Rahmen für Verständigung, Toleranz und gleichberechtigte Zusammenarbeit. Die EU sorgt damit für Stabilität in Europa und – bei aller Kritik an ihrer Außenpolitik – in der europäischen Nachbarschaft. Sie gründet auf Kompromissen, Interessenausgleich und Solidarität. Dieses „do ut des“ – „ich gebe, damit du gibst“ – wird oft als „der“ Nachteil der EU gesehen: Wir können nicht alle unsere Interessen durchsetzen. Aber kann es uns gut gehen, wenn es unseren Nachbarn nicht gut geht? Die EU ist auch Übungsfeld und im besten Fall beispielgebend für Kooperation, Fairness und Gerechtigkeit, auch für die nationale, regionale und lokale Ebene.

Die Frage, welche Aufgaben die Mitgliedstaaten, welche die Regionen wahrnehmen sollen, wo der Platz der EU ist und wie unser gemeinsamer Weg aussieht, gilt es zu klären. Dies muss beständig verhandelt, definiert und die EU dadurch legitimiert werden. Wichtig dabei ist, dass die EU seit ihren Anfängen ein Prozess ist: Sie kann weder als statisches noch als rückwärtsgewandtes, die Integration in wichtigen Bereichen auflösendes System dauerhaft überleben.

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