Andreas Unterberger

73, ist Kolumnist und schreibt seit sieben Jahren unter www.andreas-unterberger.at Österreichs meistgelesenen Internet-Blog. Er ist Jurist und hat zehn Jahre an der Universität Wien Politikwissenschaft vorgetragen. Er war 20 Jahre Außenpolitik-Journalist und 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ und „Wiener Zeitung“. Sein jüngstes Buch heißt „Schafft die Politik ab“.

Die SPÖ stellt Bedingungen und sich selbst das Bein

Juli 2017

Warum macht Christian Kern den Wählern die Stimmabgabe gar so einfach? Das Rätsel um den zum Bundeskanzler mutierten Bundesbahner wird immer größer. Die SPÖ hat jetzt ihre „Bedingungen“ für eine Beteiligung an der nächsten Regierung präsentiert. Sie hat dabei jedoch ihre bisherigen Probleme nicht gelöst, aber sich ein neues aufgehalst.

In keiner Weise beseitigt ist durch die in einem Kriterienkatalog aufgelisteten Bedingungen das Problem, das sich die SPÖ einst durch ihren bindenden Parteitagsbeschluss „Keinesfalls mit der FPÖ“ selbst geschaffen hat. Denn ein Katalog, den ein niedrigeres Parteigremium erstellt hat, kann niemals einen formellen Parteitagsbeschluss außer Kraft setzen. Rechtlich ist eindeutig klar: Solange dieser Parteitagsbeschluss nicht durch einen neuen Parteitag oder eine Urabstimmung unter den Parteimitgliedern VORHER aufgehoben worden ist, dürfte die SPÖ, wenn sie sich selbst ernst nimmt, mit der FPÖ nicht über eine Koalition verhandeln. Das könnte theoretisch jedes einfache Parteimitglied einklagen.

Es sei denn, man geht mit Parteistatuten und Demokratie so um, wie es die Grünen mit der ignorierten Urabstimmung unter ihren Wiener Parteimitgliedern getan haben. Offenbar bedeuten die schwammigen Worte des SPÖ-Vorsitzenden nach Beschluss dieses „Kriterienkatalogs“, dass er genau das vorhat. Man wird sehen. In der Politik ist nichts ausgeschlossen.
Es wäre auf der anderen Seite eigentlich auch verblüffend, wenn die Freiheitlichen unter solchen Rahmenbedingungen Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ führen würden. Das wäre jedenfalls nur sehr schwer mit der eigenen Selbstachtung einer stolzen Partei zu vereinbaren.

  • Denn keine Partei mit Selbstachtung lässt sich von einer anderen vor aller Öffentlichkeit prüfen, ob sie deren „Kriterien“ und „Bedingungen“ erfüllt.
  • Denn keine Partei mit Selbstachtung riskiert, am Ende schwieriger Verhandlungen vor einer Urabstimmung unter den Mitgliedern des Verhandlungspartners bestehen zu müssen.
  • Und schon gar nicht riskiert sie es, wenn hinter all dem ein bindender Parteitagsbeschluss steht, der die Freiheitlichen nach wie vor prinzipiell zu Unberührbaren macht.

 

Aber man wird sehen. In der Politik ist ja nichts ausgeschlossen. Vorerst ist jedenfalls keine funktionierende Strategie zu sehen, mit der sich die SPÖ ohne argen Gesichtsverlust aus dem Dilemma der Vranitzky-Doktrin befreien könnte. Nur wenige Österreicher trauen das ausgerechnet einem Kern zu.

Vor allem, da er sich und der SPÖ jetzt gleich einen zweiten Mühlstein um den Hals gehängt hat: nämlich durch öffentliches Formulieren der „Bedingung“, dass die nächste Koalition eine Erbschaftssteuer beschließen muss. Die Einführung neuer Steuern ist aber sowohl für FPÖ wie auch für ÖVP das allerletzte, was sie mitzutragen bereit sind. Zumindest wenn man die Aussagen der Chefs dieser beiden Parteien zum Nennwert nimmt. Aber man wird sehen. In der Politik ist ja nichts ausgeschlossen.

Noch viel unwahrscheinlicher als die Zustimmung von Blau oder Schwarz zu solchen „Koalitionsbedingungen“ erscheint jedenfalls, dass sich die Wähler für die Einführung einer neuen Steuer begeistern werden.

  • Denn Österreich ist jetzt schon ein Hochsteuerland.
  • Denn selbst wenn die SPÖ die Niedrigsteinkommen entlasten will (allerdings nur von der dort ohnedies nicht sehr relevanten Steuer, nicht von den Sozialbeiträgen, an denen ja nicht zuletzt auch die Arbeiterkammer profitiert), ist das beim Großteil der Österreicher nicht populär.
  • Denn jeder Steuerexperte weiß, dass eine Erbschaftssteuer auch automatisch von einer Schenkungs- und Vermögenssteuer begleitet werden muss, weil sie sonst total unterlaufen würde.
  • Denn auch wenn es eine hohe Grenze geben soll, ab der die Erbschaftssteuer zuschlägt, weiß doch jeder Österreicher, dass die Inflation und die dramatische Raketenfahrt der Immobilienpreise in wenigen Jahren viele Menschen über die Erbschaftssteuergrenze bringen wird (man denke nur, dass die Mehrheit der Österreicher heute Schilling-Millionäre sind – was vor einer Generation absolut undenkbar erschienen wäre).
  • Denn damit werden vor allem die Pensionisten verschreckt, eigentlich die letzte Stammklientel der SPÖ, die sie bisher immer mit dem Gespenst eines schwarzen Rentenklaus mehrheitlich für sich gewinnen hat können. Die Pensionisten fürchten sich nicht vor einer Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters (was bei einer schwarz geführten Regierung kommen dürfte), weil sie ja den Pensionsantritt ohnedies schon hinter sich haben. Aber sehr viele haben etwas zu vererben und wollen unbedingt, dass ihr Erbe möglichst ungeschmälert den Nachfahren zugute kommt.

 

Kann man angesichts all dieser Aspekte glauben, dass sich die SPÖ bei ihrem Beschluss viel gedacht hat? Oder will sie sich halt wie auch die Sozialisten anderswo auf die Dimension einer Partei der Mindestsicherungsbezieher, Türken und Ausgleichsrentner reduzieren, die alle nichts zu vererben haben? Ist selbstgewählte Konzentration auf Randgruppen und ideologisch gefestigte Schrumpf-Opposition das Ziel der SPÖ? Das wäre zwar für die noch stärkste Partei des Landes ein erstaunliches Ziel. Aber in der Politik ist ja nichts ausgeschlossen.

Eine Bestätigung, dass die SPÖ wirklich dorthin will, war schon der skurrile Kern-Auftritt als Pizza-Verkäufer, wo er behauptet hat, das wäre der Mittelstand. Eine weitere Bestätigung ist die in den letzten Tagen angelaufene Schreckenspropaganda, wie furchtbar doch die Ankündigung von ÖVP-Chef Sebastian Kurz sei, die Abgabenquote (das ist der Anteil aller Steuern und Pflichtabgaben, jedoch ohne freiwillige Zahlungen etwa für höhere spätere Pensionen, am BIP) auf 40 Prozent zu drücken. Auch Freiheitliche und Neos haben in Sachen Abgabenquote ganz ähnliche Ziele wie Kurz. Würde man jedoch die SPÖ ernst nehmen, dann müsste man glauben, dass die Österreicher künftig reihenweise verhungern und unter der Brücke schlafen werden.

Dieses 40-Prozent-Ziel ist gar nicht so absurd, wie die SPÖ tut. Dieses Ziel ist nämlich schon einmal fast erreicht worden, von Schwarz-Blau beziehungsweise Schwarz-Orange.
Konkret lag diese Belastung bei Antritt der bürgerlichen Regierung im Jahr 2000 bei 42,6 Prozent. Jedoch an ihrem Ende, also 2006/07, betrug sie nur noch 40,8 Prozent. Seit die SPÖ wieder in die Regierung gekommen ist, wurde dieser Wert nie mehr erreicht. Jetzt liegt die Zahl wieder bei 42,7 Prozent. Also haargenau dort, wo sie bei Antritt der Regierung Schüssel/Riess-Passer gelegen war.

Das Sparen und die Budgetdisziplin jener Jahre hat sich jedenfalls als sehr vorteilhaft erwiesen. Denn:

  • gleichzeitig boomte die Wirtschaft 2006/07 überdurchschnittlich;
  • gleichzeitig war 2007 die Staatsverschuldung auf 60 Prozent gesunken (das war der weitaus niedrigste Wert der letzten Jahrzehnte);
  • gleichzeitig war die Arbeitslosigkeit die niedrigste in Europa;
  • gleichzeitig haben damals Dutzende deutsche Zeitungen den Erfolg Österreichs als sensationelles Vorbild für das eigene Land hingestellt.

 

In den letzten Jahren tat das keine einzige mehr. Heute ist Österreich in jedem internationalen Vergleich weit zurückgesunken, woran die Tatsache nichts ändert, dass derzeit weltweit die Konjunktur anzieht.

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