Herbert Sausgruber

Ethik in Gesellschaft und Politik Gedanken zum Menschenbild

Juni 2016

Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass der Mensch Person ist (einmalig). Er kann nicht auf den Nutzwert reduziert werden. Er ist auch nicht nur Ego, sondern eingebettet in persönliche Beziehungen und Teil von Gemeinschaften (Gruppen), die ihm etwas geben und in die Pflicht nehmen.

Den anderen schuldet man Rücksicht und Hilfe in Not, den Gemeinschaften (Gruppen) Beteiligung und Mitwirkung. Jeder Mensch will als einmalig respektiert sein und für Menschen Bedeutung haben, fair behandelt werden, zumindest irgendwo zu einer Gruppe dazugehören, seinen Platz haben und eine Perspektive sehen.

Viele leisten viel für andere und die Gemeinschaft durch Arbeit im Beruf, in Familie und im Ehrenamt.

Die These vom homo œconomicus, rational und auf das Eigene bezogen, erfasst einen wichtigen Teil menschlichen Durchschnittsverhaltens, aber sie ist höchstens halbwahr. Es gibt nicht nur das Rationale, und es gibt die wirksame Motivation zum Miteinander, zum Gemeinsamen und zu Rücksicht und Hilfe gegenüber dem anderen, der auf Hilfe angewiesen ist (Hilfe in Not). Es läuft nicht alles über Angebot und Nachfrage. Es ist nicht alles Konsum und käuflich und Eigeninteresse, was der Mensch tut oder unterlässt, und es ist vieles nicht logisch.

Es gibt eine Tendenz zur Sichtweise des Menschen als Nutzen, nicht als Wert an sich, die besonders an den Grenzen des Lebens am Beginn und am Ende sichtbar wird. Die Temperatur der Ausstrahlung dieses Gedankens ist kalt und herzlos. Sie verstärkt die Illusion, alles im Leben, ja das Leben selbst sei verfügbar, kontrollierbar machbar. Letztlich wird der Mensch und sein Leben gedanklich in die Nähe einer Sache, deren Wert im Nutzen liegt, gerückt.

Der Mensch ist nicht nur Individuum. Das Leben ist Selbstbestimmung und Verantwortung und anvertrautes Gut, hat Bedeutung für andere Menschen, vor allem für jene, zu denen Beziehungen bestehen, und für die Gemeinschaft. Die Menschenwürde hat nicht nur eine individuelle Seite als Kern, sondern auch eine gemeinschaftliche.
Es ist absolute Zurückhaltung auch bei impliziertem Sprachgebrauch (oder gar Definition) in Richtung von im Ergebnis unwertem Leben geboten, sei es noch nicht vollwertig (weil noch nicht bewusst erlebnisfähig) oder nicht mehr wertvoll (weil nicht mehr handlungs- und erlebnisfähig). Nutzen für andere, Erlebnisfähigkeit, Lebensqualität eines in diesem Sinne (er)lebenswerten Lebens ist etwas anderes als der Wert des Lebens an sich.

Ein Leben ohne (Er-)Lebensqualität kann als nicht mehr lebenswert empfunden werden, unwertes Leben ist es nicht. Der Wert des menschlichen Lebens ist unabhängig vom Nutzen und Erlebniswert hoch.

Im Hintergrund um die Ecke gibt es auch den Gesichtspunkt von Kosten und Nutzen, der das behinderte Kind, den chronisch Kranken und den Langzeitpflegefall als Kostenfaktor sieht und unter Umständen als vermeidbaren Schaden oder zumindest als Last interpretieren könnte, von der einige erwarten könnten, dass der nutzlos kostspielige Zustand freiwillig beendet wird.

Ich halte es für ausgesprochen problematisch und ungut, eine Atmosphäre entstehen zu lassen, in der es zur Autonomie des Menschen gehört, aktiv das Ende menschlichen Lebens herbeizuführen und dies als Fortschritt zu deuten. Die Gefahr der Instrumentalisierung des Menschenlebens und die Verdünnung des Grundrespekts vor dem Menschenleben an sich ist nicht klein.

Bei allen Schwierigkeiten der Abwägung sollte alles getan werden, den Wert des ungeborenen Lebens und des pflegebedürftig schwerkranken und behinderten Menschen als Teil der Menschenwürde zu sehen, die nicht willkürlich verfügbar ist, und als solche im kollektiven Bewusstsein zu halten.
Die Unterstützung der Hospizbewegung und der Palliativmedizin hilft, das grundsätzlich Richtige lebbar zu machen.

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