Herbert Motter

Für Putin ist Europa ein transatlantischer Vasall

Mai 2018

Im Rahmen der Veranstaltung „Europa und Russland: Nachbarn, Partner, Gegner?“ der Initiative „Wir sind Europa“ war Osteuropa-Experte Gerhard Mangott in Schwarzenberg zu Gast. Seine bittere Erkenntnis: „An der Zerrüttung zwischen Europa und Russland wird sich so schnell nichts ändern.“

Gerhard Mangott, Politologe und Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck mit dem Schwerpunkt Osteuropa- und Russland, machte von Anfang an keinen Hehl aus seiner tiefsten Überzeugung: „Die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind völlig zerrüttet und werden es auf lange Sicht bleiben.“ Und sie sind vor allem eines: „unberechenbarer geworden“.

Beide Seiten, die EU und Russland, hätten unterschiedliche Antworten darauf. Russland wirft der EU vor, nicht ernst genommen zu werden, zudem hätten die führenden europäischen Länder stets oberlehrerhaft agiert. Für Mangott beruht dieses Zerwürfnis auf einem großen Missverständnis. „In den 1990er-Jahren war für Europa die Zusammenarbeit mit Russland eine Selbstverständlichkeit, aber immer unter dem Aspekt, wie rasch in der früheren Sowjetunion die Demokratie Einzug hält.“ Dazu müsse man wissen, sagt der Russland-Experte, dass die Außenpolitik der EU werteorientiert angelegt war. „Ein völlig inakzeptabler Ansatz für Präsident Putin, der immer auf den Stolz der Tradition und die eigenen Vorstellungen seines Landes verwies“, betonte Mangott, „bis heute hat sich dieses Missverständnis nicht aufgelöst.“
Das zeige sich besonders in der Distanz Russlands zu den europäischen Institutionen. Weder zum Rat, der Kommission noch zum EU-Parlament gebe es konkrete Annäherungen. Seit 2014 fand kein Treffen mehr statt, der Dialog ist versiegt. Für die derzeitige russische Führung ist Europa daher kein weltpolitischer Akteur, sondern ein transatlantischer Vasall. „Russland ist nicht europäisch, nicht asiatisch, sondern russisch“, sagte Mangott, und damit „eine eigene Einheit“.

Selbstbetrug der EU

Katalysator für die zerrüttete Beziehung war insbesondere die Ukraine-Krise. Gerade die Europäische Union habe immer wieder argumentiert, die Zeit der Einflusssphären sei vorbei. „Eine Art Selbstbetrug der EU, denn beide wollten Einflussnahme.“ Europa schaffe sich diese aufgrund ihrer Attraktivität in wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Hinsicht. Russland erreiche dies durch Zwang, das heißt, eine militärische und wirtschaftliche Rechtfertigung stehe über dem Völkerrecht, was wiederrum im konkreten Fall in Sanktionen mündete.

Gerhard Mangott: „Die haben Russland aber nur ein Lächeln gekostet. Weh getan haben sie nicht, das Land hat gut damit leben gelernt und neue Partner gewonnen.“ Dennoch dominieren diese Sanktionen das bilaterale Verhältnis. Mit Einbußen auch für Österreich. Nach dem Gift-Anschlag auf den russischen Doppel-Agenten Sergej Skripal haben einige europäische Länder mit der Ausweisung russischer Diplomaten reagiert, „bevor überhaupt klare Beweise einer russischen Täterschaft vorlagen“, kritisierte der Politologe. Diese sei zwar höchstwahrscheinlich, aber dennoch habe Großbritannien unprofessionell agiert und sehr schnell weitere Sanktionen gefordert. Mangott stimmt mit WKO-Chef Leitl und Bundeskanzler Kurz überein: „Wirtschaftssanktionen seien kein angemessenes Mittel, um politische Konflikte zu lösen.“ Kanzler Kurz, der bei der Ausweisung russischer Diplomaten nicht mitmachte und dafür von den europäischen Partnern gescholten wurde, gehe es um Abwägung. Dazu der Innsbrucker Politologe: „Entweder führen wir den konfrontativen Weg fort und steuern damit auf einen neuen Kalten Krieg zu. Oder wir bemühen uns wieder um einen Dialog, insbesondere zwischen den Institutionen der EU und Russland. Österreich verfolgt hier wohl eine bestimmte Strategie im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018. Wir werden sehen.“

Wie es nun mit der EU und Russland weitergehen wird, darauf hat Professor Gerhard Mangott dennoch eine klare und ernüchternde Antwort: „An der Zerrüttung und der beiderseitigen Dialogverweigerung wird sich nichts ändern. Es gibt keinen erkennbaren Weg, wie wir aus dieser Krise herauskommen.“

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