Helmut Steurer

Ehemaliger Direktor der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: ©Christine Kees)

Grünzone und Zukunft

März 2017

Vorarlberg ist in vielen Bereichen längst schon urban und international geworden, im Denken genauso wie im Handeln. In der Wirtschaft ist dies deutlich zu sehen, aber auch in der Architektur und in der Kunst und Kultur; die Festspiele, das Kunsthaus oder die Schubertiade sind europaweit bekannt und anerkannt. Doch so sehr sich Vorarlberg im Laufe der Jahre auch internationalisiert und modernisiert hat, regiert in einem zentralen Bereich nach wie vor allzu enges, kleinräumiges Denken: Die Landwirtschaft bezieht in Raumplanungsfragen weiterhin ihre Justament-Standpunkte.

Jeder wirtschafts- oder gesellschaftspolitisch notwendigen Herausnahme aus der Landesgrünzone wird da entgegengehalten, die Landwirtschaft brauche sämtliche Flächen, um die Versorgungssicherheit im Land aufrechtzuerhalten – ein durchsichtiges, ein nicht haltbares Argument. Was an landwirtschaftlichen Produkten im Land benötigt wird, wird seit Jahr und Tag zu einem Großteil importiert; der Bedarf ist schlicht zu hoch, als dass er von der hiesigen Landwirtschaft gedeckt werden könnte. Und das weiß sie selbst am besten.

Zudem interpretiert die Landwirtschaftskammer die Vergangenheit falsch: Denn die Landesgrünzone war bei ihrer Errichtung 1977 auf die Bedürfnisse und die Dimension der damaligen Zeit ausgelegt worden und nicht auf die Anforderungen der heutigen Zeit; trotzdem wurde sie in den 40 Jahren ihres Bestehens in Summe nur um 0,65 Prozent ihrer Gesamtfläche angepasst. Und dies trotz der immensen Entwicklung, die Vorarlberg in diesen Jahrzehnten genommen hat! Um die Anforderungen der Zukunft bewältigen zu können, muss es nun aber erlaubt sein, die Landesgrünzone neu zu denken. Dies wäre sicherlich auch ganz im Sinne ihrer damaligen visionären Schöpfer.

Denn die Gründer hatten die Landesgrünzone von Anfang an nicht als in Stein gemeißelt angesehen, nicht als Tabuzone, die in Zukunft jegliche Entwicklung verunmöglichen soll. Das ist der entscheidende Punkt: Kommende Generationen werden auf die Landesgrünzone in einem gewissen Maße zurückgreifen müssen, um der Wirtschaft – und damit auch der Gesellschaft – weiterhin eine dynamische Entwicklung ermöglichen zu können.

Man kann es auch plakativ ausdrücken: Das Vorarlberg des Jahres 1977 ist mit dem heutigen Vorarlberg nicht mehr zu vergleichen, und Vorarlberg 2057 wird mit Vorarlberg 2017 nicht mehr zu vergleichen sein; weitere Veränderungen und damit weitere Anforderungen werden unweigerlich kommen. War bei der Schaffung der Landesgrünzone visionär gedacht worden, muss sie nun genauso visionär weiterentwickelt und an ein in vielerlei Hinsicht verändertes, modernes, urbanes Land angepasst werden. Doch dazu wird es eine offene Diskussion brauchen; die Vertreter der Landwirtschaftskammer haben sich von ihrem Justament-Standpunkt endlich zu verabschieden.

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