J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Hilfe ein Kakerlak!

Juli 2016

Panik macht sich breit, wenn sich eine Bernstein-Waldschabe an einem lauen Sommerabend in die Nähe der Lampe verirrt. Kommt sie dann noch durchs geöffnete Fenster in die menschliche Behausung, greift mancher zur Giftdose – unnötigerweise, denn unsere Waldschaben sind völlig harmlos und fühlen sich in geschlossenen Räumen keinesfalls wohl. Es genügt, das Tier wieder ins Freie zu befördern. Küchenschaben hingegen sind gefürchtete Vorratsschädlinge – um sie loszuwerden, ist das Expertenwissen eines professionellen Schädlingsbekämpfers gefragt.

Der durchschnittliche New Yorker Riese ist um zwei Inch kleiner als der durchschnittliche texanische Zwerg“ – dennoch weist Texas den Verdacht vehement zurück, Heimat der bis zu vier Zentimeter langen Amerikanischen Großschabe (Periplaneta americana) zu sein. Deren ursprüngliche Heimat wird in Südasien vermutet. Zu einer Zeit, als sich die Wissenschaft noch kaum für verschleppte Neuankömmlinge interessierte, hat sie sich unbemerkt über die klimatisch begünstigten Regionen der Welt verbreitet. So wundert sich heute allenfalls der Tourist, wenn er solch einem Kakerlak mitten in der Kathedrale von Mexico City begegnet. In Vorarlberg wird diese Tierart kaum im Freien anzutreffen sein – es ist ihr hier schlichtweg zu kalt. Auch verschleppte Exemplare in Gebäuden gelten als Ausnahme.

Schon eher im Ländle zu finden ist die Orientalische Schabe (Blatta orientalis). Auch ihre ursprüngliche Heimat lässt sich nicht mehr ermitteln. Sie wird in den Tropen und Subtropen Südasiens vermutet. Inzwischen ist diese Tierart fast weltweit verbreitet. In gemäßigten Klimaten bewohnt sie warme Räume mit reichlichem Nahrungsangebot – nicht umsonst wird sie auch Gemeine Küchenschabe oder Bäckerschabe genannt. Blitzschnell kann sie sich bei Gefahr verstecken: Mit einer Laufgeschwindigkeit von bis zu 5,4 km/h gilt sie als das schnellste krabbelnde Insekt. Ihr Körper ist flach, er passt in jede Ritze. Beides macht die Bekämpfung schwierig: Über Leitungskanäle ist sie längst in der Nachbarwohnung, bevor das Gift des Kammerjägers sie erreicht.

Die Deutsche Schabe (Blattella germanica) macht das Trio der Küchenschaben komplett. Sie ist vielleicht etwas langsamer, dafür aber auch kleiner als ihre „orientalische“ Verwandte. Als nachtaktives Tier zeigt sie sich nur selten bei Tageslicht – dann aber gilt höchste Alarmstufe, denn dann sind die Verstecke bereits überfüllt. Jeder Spalt kann als Versteck genutzt werden. Botenstoffe im Kot locken weitere Artgenossen an. In Lebensmittelverpackungen und Wellpappe werden die Tiere verschleppt. Doch nicht die Fraßschäden an Nahrungsmitteln machen die Deutsche Schabe zum gefürchteten Schädling. Weitaus bedenklicher ist – wie bei den beiden anderen Küchenschaben auch – die Verunreinigung der Vorräte durch Kot, in dem sich unangenehme Krankheitserreger befinden können. Auch hier sollte man bei der Bekämpfung auf das Können des Profis vertrauen.

Der Deutschen Schabe zum Verwechseln ähnlich ist die harmlose Bernstein-Waldschabe (Ectobius vittiventris). Doch zwei Eigenschaften machen die Unterscheidung leicht: Bei ihr fehlen die beiden schwarzen Längsstreifen auf dem vordersten Segment des Brustbereichs, und sie kann fliegen. Ursprünglich nur in Südeuropa heimisch, breitete sich die Bernstein-Waldschabe seit Ende der 1980er-Jahre über die gesamte Schweiz aus. 2002 wurde sie erstmals in Südbaden nachgewiesen. Wann sie Vorarlberg erreicht hat, lässt sich kaum mehr ermitteln: Dem Ersteintrag in der Datenbank der Inatura für das Jahr 2006 steht eine unbekannte Dunkelziffer gegenüber. Ab 2009 liegen regelmäßige Nachweise vor. Längst hat sie sich hier etabliert, und im warmen Sommer des Vorjahres wurde sie besonders häufig beobachtet. Im Gegensatz zu den beiden anderen heimischen Vertretern der Gattung Ectobius ist sie oft auch im Siedlungsraum anzutreffen. Licht lockt alle drei Waldschaben-Arten an, doch nur Ectobius vittiventris verirrt sich gelegentlich durchs offene Fenster. Im Spätsommer und Herbst, wenn die Nächte wieder kühler werden, macht die Wärmeabstrahlung auch Hausfassaden für die wärmeliebenden Tiere attraktiv.

Alle Waldschaben ernähren sich von verrottendem Pflanzenmaterial. In unseren Vorratskammern aber würden sie nichts zu fressen finden, und auch fortpflanzen können sie sich in geschlossenen Räumen nicht. Die Tiere zeigen einen deutlichen Sexualdimorphismus: Die Männchen sind lang und schlank, während die Weibchen kürzer sind und gedrungener wirken. Zur Fortpflanzungszeit tragen die Weibchen ein gekrümmtes Eipaket mit sich herum. Die Eikapseln werden im Sommer und Herbst abgelegt. Im nächsten Frühjahr schlüpfen die Nymphen. Vor der zweiten Überwinterung im Nymphenstadium häuten sie sich ein- oder zweimal. Erst im Sommer des zweiten Lebensjahres häutet sich die Nymphe schließlich zum geschlechtsreifen Insekt.

Auch wenn die Bernsteinschabe bereits fix zum Inventar der Tierwelt Vorarlbergs gehört, ist über ihre tatsächliche Verbreitung wenig bekannt. Mehr als 80 Prozent aller Beobachtungen stammen aus Dornbirn und Bregenz, und hier vorwiegend aus dem Areal rund um die Inatura. Nur drei Mal wurde die Art bisher im Walgau dokumentiert, und aus dem Bregenzerwald, dem Montafon und dem Klostertal liegen überhaupt keine Nachweise vor. Wir freuen uns daher über Beobachtungsmeldungen (mit Foto zur Überprüfung, Datum und genauem Fundort) an fachberatung@inatura.at!

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