Fußfrei, erste Reihe

Österreich hat einen neuen Bundespräsidenten und einen neuen Bundeskanzler. Und was die beiden Herren – der Gewählte und der Nicht-Gewählte – zu tun haben, um einer künftig noch schärferen Polarisierung im Land entgegenzuwirken, ist von der Ausgangslage her eigentlich ganz simpel: Der in der Hofburg soll, in Analogie zu seinen Vorgängern, möglichst wenig tun; der im Bundeskanzleramt soll, so gar nicht in Analogie zu seinen Vorgängern, möglichst viel tun.

Bundeskanzler Christian Kern hat von einer letzten Chance gesprochen, Regierungskollegen beider Lager haben öffentlichkeitswirksam zustimmend genickt, als hätten sie das Gesagte und Geschehene als unmissverständliche Warnung verinnerlicht. Ob die Parteien der Mitte allerdings wirklich verstanden haben, dass die Wahl des Bundespräsidenten in erster Linie eine klare Abwahl ihrer bisherigen Politik war, ist eine andere Frage. Regieren sie weiterhin gemeinsam am Volk vorbei, werden Vertreter von ÖVP und SPÖ am nächsten Wahlabend jedenfalls wieder fußfrei erste Reihe sitzen und gespannt sein dürfen, ob am Ende des Tages nun ein Blauer oder ein Grüner vorne liegt. Und die nächste Wahl ist nicht die Bundespräsidentenwahl.