Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Land unter in Vorarlberg

November 2017

Das Königlich-Bayerische Hydrotechnische Bureau beschreibt 1911 in einer eigens angefertigten Publikation den Verlauf eines verheerenden Hochwassers, das im Juni 1910 weite Teile Südbayerns, Tirols und in besonderem Maße auch Vorarlberg verwüstet hat. Es war ein unglückliches Zusammentreffen zweier Ursachen, nämlich einerseits katastrophaler Niederschläge und andererseits der plötzlichen Schneeschmelze. In höheren Lagen waren im Frühsommer 1910 noch erhebliche Schneehöhen zu verzeichnen, was aus den niederschlagsreichen Wintermonaten November bis Jänner und dem kalten Frühjahr resultierte. So hatten die Temperaturen bis Anfang Mai im Gebirge kaum einmal den Gefrierpunkt überschritten, was dazu führte, dass dort Anfang Juni noch bis zu zwei Meter Schnee lagen. Die meteorologische Situation stellte sich folgendermaßen dar: „Doch schon im Laufe des 13. Juni macht sich ein Vordringen des westlichen Maximums in nordöstlicher Richtung bemerkbar, welches die über Norddeutschland gelegene Teildepression weiter nach Norden abdrängte und das Luftdruckgefälle gegen die immer noch sehr tiefe Mittelmeerdepression, also zwischen dem Nord- und Südrand der Alpen, zur Geltung brachte.“ Mit dieser Wetterlage waren tagelang andauernde, intensive Niederschläge verbunden (beispielsweise Balderschwang: 257 Millimeter in 48 Stunden) und das bei überdurchschnittlich hohen Temperaturen, die bis ins Hochgebirge für Regen sorgten und massiv Schnee schmelzen ließen.

Im Katholischen Volkskalender von 1911 fasst Viktor Kleiner, der Gründer und damalige Leiter des Vorarlberger Landesarchivs, die katastrophalen Ereignisse zusammen. Die Einleitung seines Berichts gibt einen Überblick über die dramatischen Ereignisse: „Eine furchtbare Wasserkatastrophe hat das Land Vorarlberg am 14. und 15. Juni 1910 in nie dagewesener Weise heimgesucht. Blühende Dörfer und Landschaften wurden überschwemmt, die Ernte vernichtet, die Bevölkerung vielfach vor den Ruin gestellt.“ Von der Überschwemmung am schlimmsten betroffen waren das Montafon, das Klostertal, der Walgau einschließlich Feldkirch, sowie der innere Bregenzerwald. Der Rhein hatte zwar auch Hochwasser geführt, die Maßnahmen der Rheinregulierung hatten aber das Schlimmste verhindert und so blieben Lustenau, Höchst und Gaißau weitgehend verschont.

Besonders sichtbar waren die Verwüstungen im Montafon, wo die Ill sowie deren Zuflüsse massiv über die Ufer getreten waren. Ein Augenzeuge berichtete, dass der ganze Talboden von Schuttfeldern und neu gebildeten Seen bedeckt war. St. Gallenkirch und Gaschurn waren zeitweise nicht mehr erreichbar, da die neue Straße zerstört und die Brücke in Galgenul über den Suggadinbach weggerissen wurde. Vandans präsentierte sich als fast geschlossenes Trümmer- und Schuttfeld, das nur ab und zu von einer grünen Oase unterbrochen war. Besonders der Rellsbach, in dessen Einzugsgebiet noch erhebliche Schneemassen gelegen hatten, sorgte für die größte Verwüstung. Zudem war auch die Verkehrsinfrastruktur des Montafons stark betroffen, so hatte eine treibende Holzbrücke die eiserne Brücke der Montafonerbahn mitgerissen.

Besonders in Mitleidenschaft gezogen wurde die Stadt Feldkirch. Die Schäden hatten für so viel Aufsehen gesorgt, dass in der Folge eine Postkartenserie produziert wurde, in der die spektakulärsten Szenen festgehalten wurden. Am Morgen des 15. Juni stand Feldkirch vollständig unter Wasser, „die Fluten der Ill hatten das Städtchen in ein zweites Venedig verwandelt“ (Viktor Kleiner). Dieser Eindruck wurde noch verstärkt, da zur Evakuierung von eingeschlossenen Bürgern neun Boote aus Bregenz zum Einsatz kamen, die insgesamt 500 Personen aus ihren überschwemmten Häusern retten mussten.

Die Bilddatenbank Volare https://pid.volare.vorarlberg.at/ der Vorarlberger Landesbibliothek erweitert ihr Angebot laufend um umfangreiche Bildsammlungen, die zum kulturellen Erbe Vorarlbergs gehören. Dabei kommen immer öfter Kooperationspartner hinzu, die über hochwertiges Bildmaterial verfügen, nicht aber über die Möglichkeit, dieses online einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. So etwa das Archiv der Wildbach- und Lawinenverbauung, Gebietsbauleitung Bludenz, das in nächster Zeit via Volare der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

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