Peter Freiberger

Warum die Bettler plötzlich verschwanden

Juni 2015

Ein nicht mehr gewohntes Bild bot sich in Feldkirch, Dornbirn und Bregenz im April und Mai: Schlagartig waren zeitgleich in den Stadtzentren nirgends mehr ausländische Bettler anzutreffen. Erklärungen dafür könnte es mehrere geben.

Grundsätzlich gilt: Betteln ist in Vorarlberg erlaubt, wenn es nicht aggressiv erfolgt und keine Kinder dabei sind. Außerdem darf es sich nicht um organisiertes Betteln handeln. Soweit der rechtliche Status quo.

Vor diesem gesetzlichen Hintergrund kamen beispielsweise in Feldkirch in den vergangenen Monaten täglich morgens bis zu 35 vorwiegend rumänische Frauen und Männer beim Bahnhof an. Etwa ein Drittel davon strömte anschließend in die Innenstadt, um dort zu betteln. Bis zu 12 Bettler gleichzeitig hat man an manchen Tagen gezählt.

„Die Menschen wurden in Pkw und Vans gebracht, einige fuhren mit dem Zug, immer waren sie im Pulk unterwegs“, sagt Chefinspektor Peter Lins, Kommandant der Stadtpolizei Feldkirch. Es hatte den Anschein, als sei schon die tägliche Anreise organisiert und das Betteln somit illegal. In solchen Fällen den Nachweis zu erbringen, dass es sich tatsächlich um eine organisierte Vorgangsweise handelt, gestaltet sich für die Polizei allerdings sehr schwierig. „Die Erhebungen erfordern zudem einen großen Zeit- und Personalaufwand“, sagt Lins.

Komplett durchorganisiert

Die Optik ist für die Bettler allemal schief, sie scheinen durchorganisiert und vernetzt bis – fast – ins letzte Detail. „Die Menschen reagieren extrem schnell auf jede Maßnahme, die wir setzen“, weiß Peter Lins.

Findet beispielsweise in einer Buslinie eine Überprüfung statt, dauert es höchstens zwei Stunden, bis die Bettler die Buslinie wechseln. Es gibt außerdem zur Organisation gehörende „Aufpasser“, die auskundschaften, wo die Polizei gerade kontrolliert.

„Die Bettler haben Ausweise dabei, wir kennen ihre Heimatorte“, sagt Lins. Überwiegend handelte es sich um Roma aus Rumänien, aber auch Slowaken waren darunter. Die fielen dadurch auf, dass sie – im Gegensatz zu den demütig auftretenden Rumänen – aggressiver bettelten.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Almosen, die die Menschen erhalten, zu hundert Prozent bei ihnen verbleiben, hält die Polizei für extrem gering. Im Hintergrund stehen vermutlich Clans in den Heimatländern, die sich mit dem Großteil des Geldes ein luxuriöses Leben „gönnen“, während die Bettler selbst bitterarm sind und bleiben. Dennoch dürfte es ihnen mit Betteln im Ausland insgesamt wirtschaftlich besser gehen als zu Hause.

„Abkassierer“ vor Ort

Immer wieder wurden Personen aus dem Umfeld beobachtet, die zum Abkassieren direkt zu den Bettlern auf der Straße kamen. „Dies unterstreicht ebenfalls, dass eine Organisation dahinter stecken muss, die für praktisch jede Aufgabe eine Person betraut hat“, sagt Lins. Für den Transfer des Geldes haben die „Masterminds“, wie die Ermittlungen ergaben, bemerkenswert findige Methoden angewendet.

Zwischenzeitlich waren die Bettler – über Nacht und zumindest vorübergehend – aus Vorarlberg verschwunden. In Innsbruck stellte man eine ähnliche Entwicklung fest. Eine Erklärung könnte die Festnahme eines 43-jährigen Slowaken in Klagenfurt sein, der wegen des Verdachts des Menschenhandels in Haft sitzt. Der Mann soll slowakische Bettler ausgebeutet haben. Ausgeforscht hat ihn die Exekutive nach einem Hinweis eines Opfers in Salzburg. In Vorarlberg hat bisher keiner der Bettler bei Einvernahmen Hintermänner belastet. Zu groß dürfte die Furcht vor Repressalien – besonders in der Heimat – sein.

Die Salzburger Polizei will jedenfalls nicht gänzlich ausschließen, dass der plötzliche Bettlerschwund in Vorarlberg mit der Festnahme des Slowaken zusammenhing.

Polizeimaßnahmen griffen

Die Stadtpolizei Feldkirch vermutet hingegen andere Gründe dafür, dass die Bettler hier auf einmal nicht mehr aktiv waren. „Ich denke, dass unsere polizeilichen Maßnahmen insgesamt Wirkung gezeigt haben“, sagt Peter Lins. Nach langwieriger Ermittlungstätigkeit der Exekutive hatte die Bezirkshauptmannschaft zahlreiche Verwaltungsstrafen ausgesprochen, die die Bettler direkt beim Ausüben ihrer Tätigkeit zugestellt erhielten. Der Strafrahmen reichte bis zu 500 Euro pro Fall. Die Bußgelder wurden auch tatsächlich bezahlt.

Die Vermutung liegt nahe, dass die Hintermänner eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellten, die das Betteln in Vorarlberg nicht mehr lukrativ erscheinen ließ. Fazit: Sie zogen die Bettler von hier ab.

Wie sehr es den Bettlern oft gelang, die Bevölkerung zu täuschen, zeigte sich den Behörden am Beispiel eines Mannes, der beim Betteln in der Öffentlichkeit stets mit den Händen zitterte. Während der Einvernahme im Anhaltezentrum in Bludenz konnte er das vermeintlich krankheitsbedingte Zittern dann aber nicht mehr durchhalten …

Peter Lins glaubt nicht, dass Feldkirch und die anderen großen Orte in Vorarlberg weiterhin frei von Bettlern bleiben werden. „Ich halte es für eine Frage der Zeit, bis ein anderer Clan aktiv wird“, meint Lins. Tatsächlich traten bei Redaktionsschluss erneut vermehrt Bettler beispielsweise in Bludenz auf. In Feldkirch waren ebenfalls wieder Bettler zu sehen, wenngleich nur ganz vereinzelt.

Stadtpolizist Lins, wegen des Einschreitens einiger Kritik ausgesetzt, stellt jedenfalls klar: „Wir akzeptieren das grundsätzliche Menschenrecht auf Betteln, bei nach dem Gesetz verbotenen Formen müssen wir aber handeln.“

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