Sarah Luger

Kommunikationsdesignerin

Ich hol mir meinen Moment zurück

September 2017

Auf Instagram verfolge ich die Reise von Freunden durch Afrika. Auf Facebook bewundere ich, wie Freunde über 20 Klimmzüge locker schaffen und wünsche mir, auch sportlich zu sein, oder ich schaue mir lustige Memes an, auf denen ich verlinkt wurde. Manchmal verschenke ich dann ein „Daumen hoch“ oder ein „rotes Herzchen“. Ich verfolge das Leben anderer, lese ihre Meinungen, die sie oft lauthals in den Social-Media-Kanal brüllen und frage mich, ob ich mir denn nicht auch noch Snapchat herunterladen soll? Noch ein App zum Zeitvertreib? Nein. Was mich aber immer wurmt, wenn ich mir online Bilder ansehe: Wer weiß denn überhaupt noch, was wirklich real ist? Vielleicht haben die Freunde, die 20 Klimmzüge schaffen, gar keinen „Sixpack“, sondern einfach nur einen sehr praktischen Fotofilter. Die Grenzen, was und mit wem wir etwas in sozialen Netzwerken teilen, verschwimmen. Es wird schnell etwas über das eigene Leben preisgegeben. Die eigene Meinung kann man jetzt nicht nur mehr seinen Freunden unter die Nase reiben, sondern auch den 800 anderen Facebook-Bekanntschaften, und das zu jeder Zeit. Wir urteilen öffentlich über Menschen, die wir nicht kennen, deren Geschichte uns unbekannt ist und dessen Gründe wir nicht verstehen. Hauptsache, wir haben unseren Senf auf das Brot von anderen geschmiert.

Das ist natürlich überspitzt, denn ich bin ebenfalls ein großer Social-Media-User. Ich versuche aber, mir von den Social-Media-Kanälen nicht die angenehmen Momente stehlen zu lassen. Wenn ich Kaffee trinke, dann trinke ich Kaffee und schaue nicht dreimal nach, ob eine Nachricht reingekommen ist, wenn ich illustriere, dann illustriere ich, wenn ich durch die Nacht tanze, dann tanze ich durch die Nacht. Ich hole mir meinen Moment zurück, indem ich bewusst nur eine Sache mache.