Verena Konrad

Kunsthistorikerin und Architekturtheoretikerin

(Foto: © Darko Todorovic)

Komplexitätsphänomen Dichte

Mai 2015

Verdichtung ist viel komplexer, als wir uns das vorstellen können. Es gibt keine optimale Verdichtung.“ Diese beiden Sätze aus einem kürzlich im vai gehörten Impulsvortrag von Andreas Binkert über „Greencity Zürich“ klingen bei mir seit einigen Wochen nach. Zunächst – auf den großen Maßstab bezogen – ist das Thema der Verdichtung auch für Vorarlberg mehr als relevant. Die sogenannte „Vorarlberger Lücke“ ist für die Ortsentwicklung ebenso ein Problem wie die Infrastruktur-Anbindung entlegener Grundstücke, vor allem aber die Belebung der Ortszentren.

Doch der eigentliche Teufel liegt im Detail, auf der Mikroebene. Wie viel Dichte können sich die Vorarlberger (schon) vorstellen? Dabei muss Dichte nichts mit unsensibler Verstädterung zu tun haben, sondern mit einem Abwägen, wo sich sinnvoll Funktionen bündeln lassen. Im Laufe eines Lebens hat jeder von uns unterschiedliche (Wohn-)Bedürfnisse. Das fängt bei der Wohnfläche an: Vom Single-Haushalt zum Wohnbedarf von Paaren, vielleicht mit Kindern, nach einer Trennung, bis hin zu den Bedürfnissen im Alter, wenn Einsamkeit und Pflege Thema sind, deckt der klassische Grundriss eines Einfamilienhauses oder einer Durchschnittswohnung nur selten die Erfordernisse des Alltags ab. Und das sind nur die gängigsten Lebensformen. Gerade bei der Errichtung von Wohnanlagen werden diese Gedanken künftig hoffentlich mehr Raum bekommen: weg von einzelnen, isolierten Baukörpern, hin zur Entwicklung von Quartieren, die den Bestand achten und auf den Alltag der Menschen eingehen. Quartiere, die flexibel sind, die hochwertige halböffentliche Zonen be­inhalten, die Sicherheit bedenken und kulturelle Vielfalt ermöglichen, die in Bau und Betrieb Ressourcen schonen und Syn­ergien nutzen. Klingt kompliziert? Ist es auch. „Verdichtung ist viel komplexer, als wir uns das vorstellen können.“ Aber sie ist machbar.