Borghild Goldgruber-Reiner

Landtagsdirektorin

Landtag – überflüssig?

Mai 2015

Natürlich bin ich aufgrund meiner Funktion verdächtig, die Institution Landtag zu bejubeln. Persönliche Motive sind es aber nicht, die mich leiten. Zugegeben, auf den ersten Blick mu­ten die verfassungsrechtlich vorgegebe­nen Aufgaben des Landtags bescheiden, vielleicht sogar verzichtbar an: Beschluss der Landesgesetze und des Landesbudgets, Wahl und Kontrolle der Landesregierung. Bei näherer Betrach­tung zeichnet sich aber ein diffe­renzierteres Bild: Die Gesetzgebungs­kompetenz allein rechtfertigt die Insti­tution zwar noch nicht, zu bescheiden ist der Teil an Vorschriften, der abseits bundes-und europarechtlicher Vorgaben erlas­sen werden kann. Schon besser ist es beim Landesbudget. Vom Umgang mit Landesvermö­gen und Steuergeldern hängt es ab, ob es monetäre Spielräume gibt, die regionale Gestaltungsmöglichkeiten er­öffnen. Noch augenscheinlicher wird die Notwendigkeit der Einrichtung, wenn wir fragen, wer denn die Landesregie­rung wählen und kontrollieren könnte und woher geeignete Personen für die­se Funktionen kommen könnten, wenn es keinen Landtag und keine Landtags­wahlen mehr gäbe. Kritiker meinen, die Lösung wäre in einer Direktwahl die­ser Organe zu suchen. Das aber wäre nur möglich, wenn wir einen Grund­pfeiler unseres demokratischen Systems – die Teilung der Staatsgewalt in Legislative, Exekutive und Judikative – zumindest auf Landesebene aufge­ben. Das wollen wir nicht, denn Macht braucht Kontrolle! Für mich ist der Landtag vor allem sinnvoll, weil er das institutionalisierte Sprachrohr der Bevölkerung ist. In einem vorgegebenen Rahmen kommen engagierte Personen mit unterschiedlichen Einstellungen zu einem Austausch zusam­men und finden – bei allen inhaltlichen Differenzen und ideologischen Hürden – im überwiegenden Teil der Themen gemeinsame, gute Lösungen. Dies ist der Mehrwert, der die Institution und die damit verbundenen Aufwendungen rechtfertigt.