Ulrike Furtenbach

Institut für Sozialdienste – Gewaltschutzstelle

Reden wir über Gewalt

November 2017

Muss Gewalt gegen Frauen heute tatsächlich noch thematisiert werden? Sind nicht Männer viel öfter von Gewalt betroffen als Frauen? Nicht selten reagieren Menschen auf diese Weise, wenn ich das Thema Gewalt gegen Frauen anspreche. Denn darüber zu reden ist oft emotional aufgeladen und führt rasch zu moralischen Bewertungen.

Aber es ist notwendig, über Gewalt zu reden, die Frauen in besonderem Ausmaß betrifft oder gegen Frauen gerichtet ist, weil sie Frauen sind. Ergebnisse einer internationalen Studie aus dem Jahr 2014 belegen: 62 Millionen Frauen in der EU sind seit ihrem 15. Lebensjahr Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt geworden. Und alleine in Österreich wurden 2016 über 8000 Wegweisungen und Betretungsverbote durch die Polizei ausgesprochen. Überwiegend waren Frauen und Mädchen die Opfer, Männer die Tatausübenden.

Über Gewalt an Frauen zu reden, bedeutet weder, alle Männer als Täter unter Generalverdacht zu stellen, noch zu verharmlosen, dass auch Männer und Buben Opfer von Gewalt werden beziehungsweise anzuzweifeln, dass auch Frauen gewalttätig sind.

Deshalb ist es notwendig, Gewalt gegen Männer zu thematisieren. Studien zeigen auf, dass Männer von denselben Gewaltformen betroffen sein können wie Frauen – mehrheitlich aber in anderen Lebenszusammenhängen und in unterschiedlichem Ausmaß. Weder hilfreich noch sinnvoll ist ein gegenseitiges Aufrechnen der Opferzahlen oder Diskussionen darüber, wer den ersten Platz in der Opferhierarchie einnimmt. Das hilft weder Männern noch Frauen!

Deshalb hören wir in der ifs Gewaltschutzstelle hin, wenn Menschen über ihre Gewalterfahrungen berichten, nehmen sie ernst und fordern alle Gewaltausübenden auf, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen.