Hermann Kaufmann

Architekt

Vom „wüster“ werden

Mai 2015

Neben dem Wort für mittlerweile gar alles – nämlich „Nachhaltigkeit“ –  sind die Begriffe Fortschritt, Wachstum, Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu den meistgebrauchten und -beachteten Vokabeln unserer Gesellschaft geworden. Die Auswirkungen sind dramatisch. Unsere Kulturlandschaft wird immer öder. Wo früher noch Blumen wuchsen, gibt es heute meist monotones Grün, kunstgedüngte und güllezerstörte grüne Wüsten. Auch unsere Almen kommen langsam dran. Wo die Stille wertvoll war, lärmen heute Freizeitlangeweile vertreibende Devisenbringer. Wo über Jahrhunderte gewachsene ursprüngliche Bauten unser Herz höher schlagen ließen, langweilt uns heute effiziente Moderne. Wo Bauten durch ihre Materialität zu uns sprachen, schweigen jetzt plastiküberzogene Fassaden, die zwar Energie sparen, aber uns keine mehr geben können. Dasselbe passiert beim nicht zu gewinnenden „Kampf gegen das Alter“, auch hier wird Vielfalt durch „plastifizierten Mainstream“ zurückgedrängt. Effizient ist das alles und fördert Wachstum und monetären Wohlstand, aber die Wüste wächst, es wird „wüster“. Wie lange noch ertragen wir das?