Gerd Endrich

Zentraler Chefredakteur, ORF Vorarlberg

Wer will, der zahlt

September 2016

Kostenlose Schulbildung, brettlebene Autobahnen, professionelle ärztliche Rund-um-die-Uhr-Versorgung – die Liste der staatlichen Leistungen, die wir liebgewonnen haben, könnte beinahe endlos fortgesetzt und regelmäßig ergänzt werden. Ich wundere mich, dass es Leute gibt, die sich über hohe Steuern und steigende Staatsschulden wundern.

Aber keine Frage, es geht auch günstiger. Wann wird in Indien eine Brücke saniert? Nachdem sie eingestürzt ist. Dass dabei vielleicht ein paar Dutzend Menschen sterben – geschenkt. Gibt eh über eine Milliarde von denen. In Bolivien kommt auf 1000 Einwohner ein Krankenhausbett. Dauert halt meist auch länger, bis ein Mensch optimal medizinisch versorgt ist. Manchmal zu lange – Pech eben. Aber die harten Burschen in den Anden verkraften das schon. In welchen Ländern ist die Jugendkriminalität besonders hoch? Richtig – in denen mit geringer Schulbildung und wenig Aussicht auf ordentliche Arbeit, beispielsweise in Lateinamerika. Aber die Jungs und Mädchen wissen sich schon zu helfen, wenn es um Geldbeschaffung geht. Den einen oder anderen Kollateralschaden muss die Gesellschaft halt in Kauf nehmen. Aber was soll’s, sind ja noch Kinder.

Und dann die immer höhere Lebenserwartung in Österreich. Die Pensionszeit hat sich seit den 1970er-Jahren fast verdreifacht. Klar, höhere Pensions-, Pflege-, Arzt- und Medikamentenkosten sind unvermeidbar, aber trotzdem keine Garantie für eine höhere Lebensqualität im Alter. Was tun? Wenn wir früher sterben, brauchen wir während des Arbeitslebens nicht so viel Steuern zahlen. Das hat doch was. Oder irre ich mich?

Zumindest kann jeder selbst entscheiden, ob er in Indien, Bolivien, Mexiko oder Österreich leben will. Aber eines weiß ich aus eigener Erfahrung: Geschenkt bekommst du nirgends was. Also zahlt, zahlt und lebt gut!