Helmut Kuëss

Architekt

Wohnen – privat und gemeinnützig

Juli 2015

In letzter Zeit häufen sich Aussagen von Bürgerinnen und Bürgern über die Synthese von privatem und gemeinnützigem Wohnbau (sogenannter integrativer Wohnbau). Hauptargument ist die Annahme, dass das Zusammenleben nicht funktionieren könne, weil Menschen unterschiedlich mit ihrem Eigentum beziehungsweise mit dem Mietgegenstand umgehen würden. Problematisch für das Zusammenleben seien dabei vor allem Bewohner der gemeinnützigen Anlagen. Die stark generalisierende Annahme, dass Mieter sorglos mit den gemieteten Wohnungen und demzufolge mit den dazugehörigen Anlagen umgehen würden, kann nur durch Einzelbeobachtungen belegt sein, die wiederum mit gegenteiligen Beobachtungen widerlegt werden können. Dabei ist es äußerst bedeutsam, dass Wohnanlagen und Wohnquartiere neben der gestalterischen Vielfalt auch soziale Vielfalt aufweisen. Das Abbild der sozialen Wirklichkeit gewährleistet einen unvoreingenommenen Umgang miteinander. Gerade für Heranwachsende ist es von großer Wichtigkeit, unser Gesellschaftsbild auch mit seinen Reibeflächen zu erleben. Im städtebaulichen Kontext gedacht, sind die anzubietenden Außenräume und deren Bezüge zu den privaten Innen- und Außenräumen deshalb sehr sorgfältig zu konzipieren – die Akzeptanz solcher Außenräume wird umso größer, je neutraler diese in Bezug auf ihre Lage und ihr Nutzungsangebot gestaltet sind. Möglicherweise könnte der Versuch lohnend sein, die Obergrenzen der Einkommen für den gemeinnützigen Wohnbau für einen bestimmten Anteil von Wohnungen zu erhöhen, denn so könnte die angestrebte soziale Durchmischung unterstützt werden. Das Leben unter einer sozialen Käseglocke fördert die Entwicklung einer segregierenden Gesellschaft und kann daher keineswegs Ziel einer verantwortungsvollen Wohnbaupolitik sein.