Peter Freiberger

Ironmännli, Isamännli und viele harte Hunde

Juli 2016

Das Bestreben, möglichst oft an seine Grenzen zu gehen, ist ein spezielles Phänomen der Menschen in der heutigen Gesellschaft. Kein Wunder, dass Sportarten einen Boom erleben, bei denen Grenzerfahrungen den großen Reiz aus­machen. Die logische Konsequenz: Der extrem fordernde Triathlonsport erfährt auch in Vorarlberg enormen Zulauf.

Paul Reitmayr, Bianca Steurer, Martin Bader – so heißen die heimischen Triathlonaushängeschilder. Die drei (Halb-)Profis haben international bereits beachtliche Erfolge erzielt. Reitmayr hat beispielsweise im Vorjahr den Halb-Ironman Italien in Pescara gewonnen. Heuer landeten er und Steurer dort jeweils auf Rang zwei. In St. Pölten wurde Reitmayr Dritter, Martin Bader in Rapperswil Siebter.

„Rund 500 Triathleten sind in zehn Vereinen organisiert, insgesamt gibt es bei uns etwa 1500 Aktive“, weiß Thomas Bader, Präsident des Vorarlberger Triathlonverbands. Tendenz: steigend.

Bis vor einigen Jahren galt Triathlon als eine Domäne des vermeintlich stärkeren Geschlechts. „90 Prozent der Triathleten waren Männer“, erinnert sich Bader. Dieses Verhältnis hat sich inzwischen freilich deutlich geändert – 60 Prozent Männer und 40 Prozent Frauen lautet aktuell die Aufteilung nach Geschlechtern.

Magnet Sprinttriathlon

Den sportlichen Kick findet man beim Triathlon schon bei der Sprintversion (Schwimmdistanz bis 500 Meter, Laufstrecke bis fünf Kilometer, Raddistanz bis 20 Kilometer). „Diese Variante erlebt einen besonders starken Zulauf“, sagt der Verbandschef. Kein Wunder: Selbst weniger Trainierte schaffen diese Distanzen. Bader: „Wir verzeichnen pro Veranstaltung etwa 50 bis 60 Prozent an neuen Startern, die noch keinem Verein angehören.“

Den Triathlon-Boom mitausgelöst hat die Reaktivierung des Trans Vorarlberg Triathlons vom Bodensee zum Arlberg im Jahr 2012. Heuer steht die spektakuläre Veranstaltung am 27. August auf dem Programm. 1,2 Kilometer schwimmen, 93 Kilometer radfahren und 12 Kilometer laufen – diese Distanzen reichen fast an jene des Halb-Ironmans heran bzw. übertreffen sogar dessen Raddistanz.

Verbandspräsident Bader erinnert sich an eine bemerkenswerte Entwicklung nach der Neuauflage des prestigeträchtigen Trans Vorarlberg: „Die Leute stürmten die Schwimmvereine, um trainieren zu können. Das Interesse für die Kraulschwimmkurse ist regelrecht explodiert.“

Triathlon in seiner olympischen Form besteht aus 1500 Metern schwimmen, 40 Kilometern radfahren und 10 Kilometern laufen. Auf die Teilnahme von Vorarlberger Athleten bei olympischen Spielen richtet der Verband auch einen Großteil seiner Aktivitäten und Planungen aus.

Rio 2016 findet freilich ohne heimische Beteiligung statt. Paul Reitmayr und Martin Bader befanden sich zwar ursprünglich im „Team für Rio“, mussten jedoch ihre Anstrengungen, sich tatsächlich für Brasilien zu qualifizieren, einstellen. Der Aufwand wurde letztlich zu groß. In Rio können maximal 50 Sportler an den Start gehen.

Jugendarbeit stand in den vergangenen Jahren auf der Prioritätenliste des Landesverbands weit oben. Deshalb hat man unter anderem einen Jugendcup auf die Beine gestellt, der bis zu zehn Events pro Jahr umfasst – alles mit Zielrichtung Olympia. Wendelin Wimmer (18) und Leon Pauger (17) heißen aktuell die jungen Vorarlberger Aushängeschilder.

An den Trainingsmöglichkeiten im Land sollte das Erreichen hoher sportlicher Ziele nicht scheitern. „Wir verfügen über ideale Voraussetzungen, was die Infrastruktur und Kooperationen betrifft“, sagt Bader. Das Sportgymnasium und das Olympiazentrum Dornbirn sind erstklassige Partner.

20 Stunden Training pro Woche

Der enorme Zulauf zum Triathlon ist auch deswegen bemerkenswert, weil der zeitliche Aufwand für das Training in den drei Sportarten Schwimmen, Laufen und Radfahren beträchtlich ausfällt. Wer halbwegs mithalten möchte, muss pro Woche schon an die 20 Stunden investieren. Dafür bietet Triathlon ein hohes Maß an Abwechslung im Trainings­alltag.

Die Teilnahme zumindest an einem klassischen Laufmarathon im Leben haben sich viele Hobbyathleten als sportliches Ziel gesetzt. In dem Zusammenhang hat inzwischen allerdings der klassische Ironman-Triathlon (3,86 km/180,2 km/42,195 km) beinahe gleichgezogen, wie Thomas Bader meint. Wer es weniger brutal haben will, kann bei einem „Ironman 70,3“ (Halb-Ironman) starten und hat somit „lediglich“ die Hälfte der Distanzen des „großen Bruders“ vor sich.

Das Highlight im Vorarlberger Triathlonkalender stellt heuer abermals der Trans Vorarlberg dar. Aus der Reihe fällt das Obergrechter Isamännli – ein Sprinttriathlon im Großen Walsertal  (Termin 2016: 9. Juli). Das Besondere an der Veranstaltung: Die Teilnehmer müssen beim Radfahren eine Bergstrecke absolvieren.

Für Einsteiger empfiehlt Verbandspräsident Bader die Teilnahme an dem von den Distanzen her überschaubaren Lustenauer Ironmännli, das jeweils im Juni über die Bühne geht: „Hier gibt es einen Intervallstart, der Neulingen wohl entgegenkommt.“ Der Jannersee Triathlon im Lauteracher Ried wiederum bietet wegen der außergewöhnlichen Nähe von Zuschauern und Triathleten eine spezielle Atmosphäre. Wer noch nie Zaungast bei einem Triathlon war, sollte nach Lauterach kommen – 2016 am 20. August.

Triathlon ist übrigens keine Sportart nur für die warme Jahreszeit und die Jüngeren. Dies beweist seit Jahren unter anderem der Bregenzer Hermann Hartsleben. Der 75-Jährige holte sich heuer im Februar bei der Wintertriathlon-Weltmeisterschaft mit den Disziplinen Laufen, Mountainbiken und Langlaufen in Zeltweg in der Altersklasse 75 bis 79 die Goldmedaille.

Eine Sonderstellung in der Vorarlberger Triathlonszene nimmt schließlich die in Schwarzach lebende Holländerin Yvonne van Vlerken ein, über deren Vereinsmitgliedschaft sich das TriTeam Lustenau freut. Die 37-Jährige hat mehrfach den Ironman gewonnen und hielt sogar für einige Zeit die Weltbestzeit über die Langdistanz. Sie trainiert allerdings überwiegend eigenständig.

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