Peter Freiberger

Schwarz-Weiß Bregenz – „reizvolle Aufgabe“ für Happels Musterschüler

September 2017

Im Sport ist alles möglich. Eine Binsenweisheit, aber wahr. Aktuelles Beispiel: Michael Baur, 40-facher österreichischer Fußballnationalspieler aus Tirol, trainiert in der Saison 2017/2018 den Traditionsklub Schwarz-Weiß Bregenz in der Vorarlbergliga. „Thema Vorarlberg“ sprach mit Baur über dessen Ziele und darüber, was ihm Trainerlegende Ernst Happel mit auf den Weg gegeben hat.

Schwarz-Weiß lieferte eine ordentliche Überraschung, als man den gebürtigen Innsbrucker als neuen Trainer für die vierte Liga präsentierte. Der heute 48-jährige Baur war nach seiner Cheftrainersaison beim Bundesligisten Grödig zuletzt ebenfalls bei Wacker Innsbruck im Gespräch gewesen. Jetzt heuerte er in der Vorarlbergliga an. „Ich bin Trainer mit Herzblut, es macht mir deshalb nichts aus, einen Schritt herunterzugehen“, sagt der vierfache österreichische Meister. „Natürlich finde ich hier andere Voraussetzungen vor, was Umfeld und Budget betreffen. Spieler und eine Mannschaft lassen sich aber überall weiterentwickeln“, betont er. „Mein Ziel ist es, attraktiven Fußball zu zeigen und vorne dabei zu sein. Vom vorhandenen Potenzial müsste das möglich sein. Es braucht halt ebenfalls Glück.“

Spieler weiterentwickeln – diese Aufgabe bietet sich ganz besonders bei jungen Kickern an. Dass Baur dafür ein gutes Händchen besitzt, hat er bereits in Grödig bewiesen. Mehrere von ihm ausgebildete junge Spieler wechselten zu großen Vereinen wie Sturm Graz, Wiener Austria, Rapid, Red Bull Salzburg beziehungsweise Red Bull Leipzig. „Much“ Baur selbst blickt auf einen außerordentlich prominenten Förderer zurück: Der legendäre Ernst Happel holte den damals 19-jährigen Stürmer, den der FC Tirol vom unterklassigen Innsbrucker SVI engagiert hatte, quasi über Nacht in die erste Mannschaft des Bundesligisten. Dort musste er – für ihn noch ungewohnt – in der Innenverteidigung seinen Mann stellen.

Traumduo Pezzey-Baur

Dabei stand dem Jungspund eine Allzeitgröße des rotweißroten Fußballs zur Seite: Bruno Pezzey gab den Libero hinter Vorstopper Baur. „Bruno redete viel mit mir, machte Anweisungen – davon habe ich enorm profitiert“, erinnert sich der Innsbrucker. Vier österreichische Meistertitel, ein Cupsieg, 40 Länderspieleinsätze sowie ein Engagement beim prestigeträchtigen deutschen Bundesligisten Hamburger SV weist die Spielerkarriere unter anderem auf. An prominenten, erstklassigen Trainern, unter denen Baur kickte, mangelte es nicht. Von jedem hat er sich für die eigene Trainerlaufbahn etwas abgeschaut beziehungsweise mitgenommen. In Sachen Taktik und Trainingsfleiß steht für ihn „Wödmasta“ Ernst Happel ganz oben. Baur: „Er legte enormen Wert auf unsere körperliche Verfassung und auf Disziplin. Dennoch hat er uns am Platz nicht wirklich in ein Muster gepresst, sondern gewisse Freiheiten erlaubt.“ Happels nach außen zur Schau gestellter Grant war für Baur lediglich eine Art „Schutzschild“. Bei der einen oder anderen Anekdote über Happel gerät Baur heute noch ins Schmunzeln. „Ganz zu Beginn verkündete der Trainer in einer Mannschaftssitzung, dass ich die nächsten fünf Partien machen würde – egal, ob ich gut oder schlecht spiele.“ Happel nannte den 19-Jährigen vor versammelter Runde den „Bua“, meinte aber in seinem sprachlichen Kauderwelsch „Boer“ – das holländische Wort für „Bauer“. Dies stellte sich allerdings erst später heraus ...

Und weil der „Wödmasta“ körperlicher Fitness einen dermaßen großen Stellenwert gab, waren üppige Nachspeisen nicht erlaubt. „Maximal eine Kugel Eis!“ lautete das Motto. Die orderte Much prompt im Rahmen eines Mannschaftsessens. Freilich – die Kellnerin tauchte mit einem Rieseneisbecher auf, unübersehbar auffällig geschmückt mit Sternspritzern. Happels Blick wurde kurzfristig noch mürrischer als gewohnt, ehe Schlitzohr Peter Pacult sich als Einfädler des Gags zu erkennen gab. Da konnte sich selbst Happel einen Lacher nicht verkneifen. Deutschlands „Kopfballungeheuer“ Horst Hrubesch folgte auf Happel beim FC Tirol. „Von ihm habe ich erfolgreiches Kopfballspiel in der Offensive gelernt“, sagt Baur. „Hrubesch blieb nach offiziellem Trainingsende oft noch lange mit mir am Platz, um das zu trainieren. Ein super Trainer, insgesamt etwas kollegialer als Happel.“

Gekränkter Goleador

Unter Didi Constantini lief der Schmäh ziemlich rund, an Trainingsqualität und -umfang mangelte es jedoch nicht. Hans Krankl hat Much vor allem als Motivationskünstler in Erinnerung. Allerdings nahm der „Goleador“ Niederlagen sehr persönlich. „Nach dem Europacup-Aus von Innsbruck gegen den spanischen Spitzenklub La Coruña fühlte er sich in seiner Ehre gekränkt und wälzte die Schuld an der Niederlage unnötigerweise auf die Spieler ab. Wir hätten ihm ein mögliches Engagement in der Primera Division vermasselt.“ Auf der Promi-Trainerliste von Baur steht außerdem Kurt Jara. „Ihn schätze ich sehr, weil er eine irrsinnige Ahnung von Fußball hat“, erzählt der Neo-Coach von Schwarz-Weiß Bregenz. „Jara legte großen Wert auf guten Fußball und zeigte einen außergewöhnlichen Umgang mit der Mannschaft. Er holte immer wieder die Meinung der Spieler ein, bewertete sie, um schließlich seine eigenen Entscheidungen zu treffen.“ Guru Ernst Happel war Michael Baurs erster Trainer im Profigeschäft, kein Geringerer als Jogi Löw trainierte ihn im buchstäblichen letzten Jahr des FC Tirol, bevor der Verein in Konkurs ging. Während Löw mit Blick auf die Nordkette gerne das „schöne Tirol“ pries, zeigten sich einige Spieler skeptisch und wurden beim Konditionstrainer vorstellig. „Wir trainieren zu wenig“, beklagten sie sich. Die Antwort: Es komme auf die Qualität an, nicht auf die Quantität. Fazit: Zu Saisonende heiß der Meister wieder FC Tirol.

Von jedem seiner prominenten Trainer hat sich Baur für seine eigene Tätigkeit eine Scheibe abgeschnitten. „Ich will erfolgreichen offensiven Fußball spielen mit einer Mannschaft, die überwiegend agiert, nicht reagiert“, sagt der 48-Jährige. Viel (Überzeugungs-)Arbeit liegt vor ihm. Auch, wenn es darum geht, Jugendliche für den Fußball zu begeistern. Denn neben seinem Job als Coach von Schwarz-Weiß soll der Tiroler mithelfen, vorhandene Synergien im Nachwuchsbereich der Traditionsklubs Schwarz-Weiß und Viktoria Bregenz zu nutzen. Baur soll ein Konzept erstellen, um Jugendliche zum Fußball zu bringen und somit gesellschaftlich zu integrieren. Die Stadt Bregenz unterstützt dieses Vorhaben. „Eine reizvolle und wichtige Aufgabe“, weiß der Ex-Internationale.

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