Sabine Barbisch

David Stadelmann „Wissenschaftler müssen der Zeit voraus sein“

Dezember 2016

Als ihn der Ruf zum Professor an der Universität Bayreuth erreichte, war der Sibratsgfäller David Stadelmann gerade einmal 29 Jahre alt. Sein Ziel als Wissenschaftler: „Mit ordentlicher Forschung und sachlichen Argumenten am politischen und wirtschaftlichen Diskurs teilnehmen.“

Im Jahr 2013 wurde David Stadelmann mit nicht einmal 30 Jahren zum Professor der Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth berufen. Das klingt nach einem konsequent verfolgten Karriereziel, für Stadelmann war es in erster Linie ein Glücksfall. Denn viele Stellen wie diese – spezialisiert auf Volkswirte – gibt es nicht, und frei muss sie auch sein. Dazu kommt, dass „nicht einmal im Laufe meiner schulischen Karriere eine Stelle als Professor ein Traum von mir war“. Erst als Stadelmann an der Université de Fribourg in der Schweiz sein zweisprachiges Doppelstudium in Volkswirtschaft und Mathematik absolvierte, kristallisierte sich der Wunsch nach einem Doktorat heraus. „Ich fragte mich, wie man mit seiner Arbeit die Welt verbessern kann, und kam zum Schluss, dass es nicht die schlechteste Idee ist, mit ordentlicher Forschung und sachlichen Argumenten am politischen und wirtschaftlichen Diskurs teilzunehmen und so manche Themen in bessere Bahnen zu lenken.“

Der glückliche Zufall begleitete den Wissenschaftler aber schon vor seinem Ruf zum Professor. Nachdem er 2006 den Master in Volkswirtschaftslehre erfolgreich abgeschlossen hatte und für sein Mathematikstudium lernte, wurde ihm eine Stelle als studentischer Mitarbeiter an der Université de Fribourg angeboten. „Ich kam mit meinem zweiten Studium gut voran, arbeitete an der Uni und bekam ein Gehalt – eine perfekte Situation.“ 2010 promovierte Stadelmann dann in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Seine bemerkenswerte Karriere ist primär der Freude am Forschen geschuldet: „Ich arbeite sehr viel, zähle aber nie die Anzahl der Stunden, weil ich meine Arbeit zum größten Teil als Freude empfinde.“ Als Professor begeistert ihn auch das Unterrichten der Studierenden: „Ich würde sofort mehr Unterricht gegen weniger administrative Angelegenheiten tauschen.“ Seine zwei größten Lehrveranstaltungen sind aktuell die Vorlesungen Makroökonomie mit bis zu 700 Studenten und Entwicklungsökonomie mit etwa 150 Studenten. Daneben unterrichtet er in kleineren Kursen im Rahmen des Masterstudiengangs: „Dort debattieren wir viel über aktuelle Entwicklungen wie den Brexit oder die Wahl Trumps zum US-Präsidenten. So erarbeiten wir gemeinsam, welche wissenschaftlichen ökonomischen Methoden in welchen Fällen anwendbar sind.“

Wissenschaftler, Lehrer, Autor und Herausgeber

Seit drei Jahren lebt David Stadelmann nun in Bayreuth, die Begeisterung für die Schweiz und deren politisches System mit den starken direktdemokratischen Elementen hält aber weiter an. Auch bei Gastaufenthalten wie kürzlich in Aus­tralien untersucht er unter anderem, wie Menschen sich vor politischen Entscheidungen informieren. Daneben verfasst der Professor auch zahlreiche Zeitschriftenartikel und Blog­beiträge. „Ich sehe die Aufgabe von uns Wissenschaftlern darin, Zukunftsthemen zu definieren und zu erforschen und so der Zeit voraus zu sein.“ Stadelmann und seine Kollegen haben schon vor fünf Jahren die Kosten der Personenfreizügigkeit berechnet – lange vor der aktuellen Migrationsbewegung. Seit 2015 ist er auch Mitherausgeber der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fachzeitschrift „Kyklos“. „Unser Ziel ist, über spannende neue Themen und Forschungsergebnisse – auch abseits der klassischen Wirtschaftsthemen – zu schreiben.“

David Stadelmann ist seit 2013 einer der rund 72.000 Einwohner Bayreuths. „Im Vergleich zu deutschen Großstädten ist das zum Glück Provinz“, lacht der gebürtige Sibgratsgfäller, der das etwas anders empfindet. Seine Zelte wieder komplett in Vorarlberg aufzuschlagen, kann er sich noch nicht vorstellen, aber vielleicht in Zukunft: „Das Leben und Arbeiten außerhalb der gewohnten Umgebung ist mir außerordentlich wichtig: Es inspiriert mich, zu sehen, was in anderen Ländern und Regionen passiert. Ansonsten wäre die Gefahr groß, betriebsblind zu werden.“ Auch Anregungen oder Kritik vonseiten der Forscher seien nur dann konstruktiv, wenn man Beispiele aus anderen Ländern und Regionen habe und so sehe, was man besser machen könne. „Wichtig ist, systematische Vergleiche zu ziehen, um zu verstehen, was funktioniert und was nicht“, betont er. Einen speziellen Tipp hat er für Nachwuchsforscher parat: „Gerade im deutschsprachigen Raum ist die Fülle an Jobs nicht groß – da muss man breiter denken und sich Alternativen überlegen, wo man sein Wissen einbringen kann. Kurz: Legt nicht alle Eier in einen Korb, sondern teilt sie auf.“ Dieser Grundsatz gelte für die Karriere wie auch für Wertanlagen, fügt der Ökonom lachend an.

Lebenslauf
Der 1982 geborene David Stadelmann ist in Sibratsgfäll aufgewachsen und hat nach dem Abschluss an der Handelsakademie in Bezau ein Masterstudium der Volkswirtschaftslehre und der Mathematik an der Université de Fribourg (Schweiz) absolviert. 2010 folgte die Promotion zum Doktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Im Alter von 29 Jahren wurde Stadelmann von der Universität Bayreuth zum Professor für Volkswirtschaftslehre berufen. Seit 2015 ist er Mitherausgeber der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fachzeitschrift „Kyklos“.

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