Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Mächtig, reich, unbekannt

April 2018

Wolford, der Club Med oder der englische Fußballverein Wolverhampton Wanderers: Der chinesische Multikonzern Fosun kauft sich in höchst unterschiedliche Unternehmen ein. Firmenchef Guo Guangchang, einer der reichsten Chinesen, ist eine illustre Persönlichkeit – mit einer spannenden Lücke in der Biografie.

Der chinesische Multikonzern Fosun befindet sich weiter auf Einkaufstour: Ende Februar hatte Fosun die Mehrheit beim französischen Luxusmode-Hersteller Lanvin übernommen, wenige Tage später wurde publik, dass Fosun auch neuer strategischer Hauptaktionär bei Wolford wird. Die Chinesen übernehmen, die Zustimmung der österreichischen Kartellbehörde noch vorausgesetzt, um 32,6 Millionen Euro knapp 51 Prozent der Wolford-Aktien. Das mit dem Club Med, Thomas Cook, Tom Tailor, der deutschen Bank Hauck & Aufhäuser, dem Cirque du Soleil oder dem englischen Fußballklub Wolverhampton Wanderers ohnehin schon recht bunte Konzern-Portfolio von Fosun wird also um weitere Facetten reicher. Wolfgang Hirn, deutscher Buchautor und ausgewiesener China-Experte, ist etwas irritiert: „Dass Fosun weiter kaufen darf, ist schwer zu verstehen.“

Die sogenannte „Viererbande“

Hirns Satz bezieht sich auf den Umstand, dass in den vergangenen Jahren vor allem vier chinesische Konzerne – HNA, Wanda, Anbang und Fosun, in China auch bekannt als „die Viererbande“ – weltweit in Hollywood-Studios, Fußballvereine, Immobilien und Unternehmen aller Art Milliarden von Dollar investiert hatten. Bis dann die chinesische Regierung laut Hirn Mitte 2017 dem bunten Treiben einen Riegel vorschob: „Weil viele dieser Geschäfte in ihrer Irrationalität dem Image Chinas schadeten, schränkte die Regierung die Aktivitäten des Quartetts ein.“ Gekauft werden darf seither nur noch, was der chinesischen Regierung genehm ist respektive den wirtschaftlichen Interessen Chinas dient. Und während HNA, Wanda und Anbang deswegen gar Beteiligungen und Unternehmen abstoßen mussten, darf Fosun als einziges Mitglied der Viererbande weiter tüchtig im Ausland investieren. Warum? „Ich kann es mir nur so erklären, dass Fosun in den Augen der chinesischen Regierung scheinbar doch ein bisschen strukturierter zu Werke geht“, sagt Journalist Hirn. Und was interessiert die Chinesen am hiesigen Wäschekonzern? „Die Marke. Trotz der Schwierigkeiten, die der Wäschekonzern hat, ist Wolford eine extrem starke Marke mit einem weltweit guten Ruf.“

Das Engagement mag sich auch mit dem decken, was Konzernchef Guo Guangchang in einem Interview seiner Bank Hauck & Aufhäuser gesagt hatte: „Wir suchen ständig nach langfristigen Investitionsmöglichkeiten und sind starke Verfechter von strategischen Akquisitionen, die für beide Partner auf lange Sicht Mehrwert schaffen und bessere Wachstumsmöglichkeiten eröffnen.“ Kryptischer äußerte sich Guo gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Unser Ziel für die nächsten fünf bis zehn Jahre ist es, der führende Anbieter in der Welt für Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Reichtum und Happiness zu werden.“ Was das auch immer sein mag – Wolford ist nun ein Teil davon, Teil eines Mischkonzerns, der im Jahr 2010 mit dem Erwerb des Club Med erstmals in Europa aufgefallen war.

Auch im Erfolg bescheiden

1967 geboren, in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und seit 2003 Delegierter zum Chinesischen Volkskongress, hatte Guo Guanghang 1992 den Vorläufer des Konzerns gegründet und zunächst mit Medikamenten, später dann auch mit Versicherungen gehandelt. Heute ist Fosun das größte im Privatbesitz befindliche chinesische Firmenkonglomerat und der Firmenchef offenbar ein auch im Erfolg bescheidener Mann geblieben. Der studierte Philosoph habe keine Allüren wie andere Vorstandschefs, hieß es 2015 in einem Artikel der „Welt“. Dabei stellt Guo, der den Spitznamen „Warren Buffet von China“ trägt, viel dar: Das US-Magazin „Forbes“ hatte ihn im Vorjahr auf Platz 16 der reichsten Chinesen gereiht – mit einem taxierten Vermögen von zehn Milliarden US-Dollar.

Umso bemerkenswerter ist, was sich im Dezember 2015 abspielte: Der Konzernchef war auf einmal verschwunden – fünf Tage lang, spurlos. Was in diesen fünf Tagen passiert ist, wurde nie geklärt, der Konzern selbst teilte nur mit, Guo habe „in einem Gespräch der Polizei bei einigen Ermittlungen assistiert“. In einem Gespräch? „Dieser Fall“, schrieb eine deutsche Journalistin, „zeigt deutlich, welche politischen Risiken Manager im Reich der Mitte ausgesetzt sind: In dem autoritär regierten Land können Vorstände und Firmengründer tagelang verschwinden, bis sie mit dürftigen Erklärungen wieder auftauchen.“ Dabei scheint der Fosun-Chef nur das zu tun, was im Jahr 2004 der damalige Premier Wen Jiabao der chinesischen Wirtschaft aufgetragen hatte: „Go global!“ Mit Wolford ist nun erstmals auch ein Vorarlberger Traditionsunternehmen Teil dieser Strategie geworden.

Lesetipp der Redaktion: Wolfgang Hirn, „Chinas Bosse – Unsere unbekannten Konkurrenten“, Campus 2018.

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