Peter Freiberger
Herbert Motter

Sommer wie Winter - Vorarlberg auf dem Weg zum Ganzjahres-Urlaubsland.

Mai 2017

Der Winter läuft als Zugpferd voran, der Sommer holt kontinuierlich auf: Das Tourismusland Vorarlberg befindet sich auf dem besten Weg zur Ganzjahres-Destination. Mit vielen kleinstrukturierten Unternehmen, Gastfreundschaft auf Augenhöhe und einer Portion Charme behauptet sich Vorarlberg mehr als erfolgreich im internationalen Wettbewerb mit rund 150 Destinationen im Alpenbogen.

Zwar dürfte die Wintersaison 2016/2017 mit einem Minus bei den Gäste- und Nächtigungszahlen zu Ende gehen, die Tendenz im heimischen Tourismus geht in der jüngsten Vergangenheit insgesamt aber eindeutig nach oben.

Die nackten Zahlen unterstreichen dies. Im Tourismusjahr 2014/2015 gab es mit 2,3 Millionen Ankünften ein Plus von 3,1 Prozent, bei den Übernachtungen (8,6 Millionen) einen Zuwachs von 0,6 Prozent. Im Rekordjahr 2015/2016 verzeichnete man 2,4 Millionen Ankünfte (plus 4,6 Prozent) und 9 Millionen Übernachtungen (Zunahme von 5,5 Prozent). Eine gute Million Übernachtungen – bezogen auf das Tourismusjahr – kam in den vergangenen zehn Jahren dazu.

Erfreulich in dem Zusammenhang: Vor allem die Sommersaisonen haben sich sehr gut entwickelt. Die Ankünfte stiegen in dem Zeitraum im Sommer um 38 Prozent, die Übernachtungen um 14 Prozent. Damit rückt man dem Ziel, eine Ganzjahres-Destination zu werden, näher.

Der alpine Tourismus begann ursprünglich fast als reines Sommergeschäft, die Winter liefen nebenbei mit. Die Trendwende trat 1982 ein. Damals überholte die Winter- die Sommersaison. Der Sommer feierte Anfang der 1990er-Jahre mit der Öffnung der Ostgrenzen zwar ein kurzes Comeback, zu Beginn der Jahrtausendwende tat sich jedoch erneut eine große Kluft auf.

Dank der sommerlichen Aufholjagd der vergangenen zehn Jahre lag 2015/2016 die Saisonverteilung (Übernachtungen) bei 44 Prozent Sommer gegenüber 56 Prozent Winter. Zum Vergleich: 2008 hieß es 41 zu 59 Prozent.

„Der Sommerurlaub war durch die Zunahme an internationalen Destinationen und deren leichtere Erreichbarkeit mit dem Flugzeug ins Hintertreffen geraten“, erklärt Christian Schützinger, Geschäftsführer von Vorarlberg Tourismus. Inzwischen profitiert die Alpenregion – und somit auch Vorarlberg – vom Trend zum Kurzurlaub. Sommerurlaube bei uns werden nicht mehr als die Hauptferien betrachtet, die Urlaubszeit erstreckt sich vom Frühjahr bis in den Herbst. Damit gibt es eine geringere Abhängigkeit von den Schulferien.

Die zunehmende Bedeutung des Sommertourismus in Vorarlberg sieht auch Oskar Hinteregger, Deutschland-Chef der Österreich-Werbung in Berlin: „Im europäischen Kontext, außerhalb des Städtereisesegmentes, ist es ein großes Plus, wenn man auf zwei Saisonen bauen kann. Vorarlberg ist es zusätzlich gelungen, die Vor- und Nachsaison zu stärken.“ Hinteregger nennt Vorarlberg touristisch gesehen eine klar auf die spezifischen Stärken ausgerichtete und gut etablierte Regionalmarke. „Das liegt sicher auch daran, dass permanent an der Strahlkraft und internationalen Bekanntheit gearbeitet wird.“

Eine aktuelle „BAKBASEL“-Studie, in der 149 Alpendestinationen unter die Lupe genommen wurden, bestätigt die positive Entwicklung der Urlaubsmarke Vorarlberg. Die Zuwachsrate von mehr als sieben Prozent Hotelübernachtungen in den letzten fünf Sommersaisonen ist im internationalen Vergleich herausragend und reiht das Urlaubsland Vorarlberg auf Platz 3. Zu den Details: Das Kleinwalsertal liegt auf Platz vier der erfolgreichsten Destinationen im Alpenraum – bezogen auf das gesamte Tourismusjahr 2015. Als Gründe wurden die sehr hohe Auslastung der Hotelbetten und die hohe Ertragskraft genannt. Drei Indikatoren zieht die Wissenschaft für den wirtschaftlichen Erfolg heran: Die Auslastung der Hotelbetten, die Entwicklung der Übernachtungszahlen sowie die Preisgestaltung beziehungsweise die Ertragskraft.

Im Winter führt Lech Zürs auch in diesem Jahr wieder das Ranking an – es „profitiert von der herausragenden Ertragskraft sowie von einer überdurchschnittlichen Auslastung“. Bemerkenswert ist der siebte Platz für Bodensee-Vorarlberg in der Sommersaison. Andere Vorarlberger Destinationen wurden in den letzten Jahren ebenfalls unter die Top Ten gereiht.

Hinteregger: „Neben der Attraktivität der Natur und den kontinuierlichen Investitionen in die Freizeit-Infrastruktur, etwa der Bergbahnen, gilt speziell die Qualität der Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe als Asset. Die hier verfolgte Qualitätsstrategie – auch in der touristischen Produktentwicklung und im Servicedesign – findet internationale Anerkennung. Zumindest in den Nachbarländern.“ Die Pflege und Impulse der Kultur im Allgemeinen und Projekte wie die Schubertiade, der Werkraum im Bregenzerwald und die Bregenzer Festspiele beachtliche internationale Resonanz. Bei der gesamten Entwicklung profitiert Vorarlberg von seiner wunderbaren Landschaft, die Gäste laut Umfragen ganz besonders anzieht. Die Angebote im Umfeld von „Alpine Wellness“ im Bereich von Kultur und Gesundheit sowie die umfassenden, mannigfaltigen Möglichkeiten für Aktivitäten in den Bergen sind prädestiniert für dieses Gästesegment.

„Die Gäste kommen nicht zu uns für süßes Nichtstun“, weiß Christian Schützinger. „Sie möchten den alpinen Raum bewusst erleben.“ Deshalb müsste – neben der Kernleistung, der erstklassigen Qualität der Unterkünfte und Kulinarik – bewusst gemacht werden, was es rundherum gibt. Es gelte, zusätzliche Angebote zu implementieren. Dazu zählen etwa Möglichkeiten für mehrtägige Hüttenwanderungen, Klettersteige oder Mountainbike-Strecken. Außerdem bewähren sich Kooperationen über den touristischen Tellerrand hinaus – wie beispielsweise das Angebot, gemeinsam mit dem Senn in einem Betrieb Käse zu erzeugen.

Internationale Messeauftritte sind genau darauf abgestimmt. Winterthemen und die Sommerthemen Wandern und Radfahren stehen im Mittelpunkt. „Dies sind sozusagen die Suchbegriffe der Gäste, auf die Vorarlberg gute Antworten liefert. Hoch im Kurs liegen vor allem Natur, Genuss, Gastfreundschaft, familiengeführte Häuser und regionale Produkte“, schildert Paul Schelling, Messeverantwortlicher bei Vorarlberg Tourismus.

Herrliche Landschaften und Berge gibt es im Alpenraum wie Sand am Meer. Das überschaubare Vorarlberg hebt sich im Rahmen der Tourismusstrategie 2020 davon noch mit den Säulen Regionalität, Gastfreundschaft und Nachhaltigkeit ab. Die Kleinstrukturiertheit der rund 5200 Beherbergungsbetriebe im Land, die zum klassischen alpinen Angebot überdies den Charme von Familienunternehmen ausstrahlen, lässt Gäste das Land als eine Art Alpenidylle wahrnehmen. Tatsächlich eingehaltene Qualitätsversprechen tragen zudem dazu bei, dass der Tourismus hier boomt. Kurze Anreisewege dank der Lage in der Vierländerregion machen die Fahrt in den Urlaub einfach.

Aber die Urlaubsformen sind markanten Änderungen unterworfen. International nehmen kombinierte Flug-Pkw-Bahn-Reisen mit dem Ziel, neue Regionen und gleichzeitig mehrere Länder im Rahmen einer Reise kennenzulernen, zu. „Die geografische Lage an markanter Stelle von West-Ost- oder Nord-Süd-Routen Europas (Deutschland/Schweiz/Italien) ist ein Vorteil, den Vorarlberg für sich nutzen kann“, erklärt Oskar Hinteregger. Eine Prognose der Deutschen Reiseanalyse ist für Vorarlberg entscheidend: Die weitere Zunahme der Kurzreisen. Besonders die Nähe zu Baden-Württemberg und Bayern ist für Vorarlberg diesbezüglich vorteilhaft. Kurzreisen aus diesen beiden Märkten finden das ganze Jahr über statt.

Nah haben es die Schweizer Gäste, die Platz drei bei den Herkunftsnationen einnehmen. Diese Rangliste führen die Deutschen vor den Österreichern an. Mehr als die Hälfte der jährlich rund 2,4 Millionen Gäste kommt aus dem Nachbarstaat. An vierter Stelle folgen die holländischen Urlauber.

Für die Eidgenossen kommt ob des Frankenkurses ein Urlaub in Vorarlberg beinahe einem Schnäppchen gleich. Schützinger hält die Preise jedenfalls für international wettbewerbsfähig. Umfragen geben ihm Recht: Die Gäste schätzen das Preis-Leistungs-Verhältnis sehr. Schützinger geht einen Schritt weiter: „Nachdenken über das Preisniveau ist erlaubt.“ Viele Zusatzleistungen würden derzeit kostenlos angeboten.
Auf Potenziale des Tourismuslandes Vorarlberg angesprochen, meint Tourismusmanager Hinteregger: „Die internationale Ansprache und der Vertrieb der Produkte sind gerade aufgrund der kleinteiligen Struktur der Tourismusbranche für Vorarlberg meines Erachtens eine besondere Herausforderung.“ Hier würden sich aufgrund der rasanten Entwicklungen rund um das Thema Digitalisierung neue Chancen, die Vorarlberger Tourismusprodukte in neuen Märkten zugänglich zu machen, bieten. Das touristische Marketing geschieht in rund elf europäischen Märkten.

„Die Qualität der Produkte und das Marketing haben sich genauso verbessert wie die Strukturen zu einer vernetzen Angebotsentwicklung. Am besten ersichtlich ist dies an der Steigerung der touristischen Wertschöpfung und vor allem auch am Nationenmix der Gäste“, skizziert der Deutschland-Chef der Österreich-Werbung die Entwicklung der letzten Jahre. Trotz all der touristischen Erfolge lässt sich ein Manko nicht übersehen. Ungefähr 80 Prozent der Urlauber kommen aus deutschsprachigen Märkten. Sollten die einmal wegbrechen, hätte dies für die Wirtschaft gravierende Folgen. Das erfolgreiche Bemühen, den überproportional hohen Anteil an Stammgästen zu halten, bindet Verfügbarkeiten, neue Märkte zu gewinnen. „Wir müssen dennoch verstärkt auf Internationalisierung setzen“, fordert Schützinger. Je internationaler der Gästemix, desto weniger negativ würden sich auch schneearme Winter auswirken. Dies zeigen die Beispiele Tirol und Salzburg.

Die Digitalisierung sei nützlich in dem Bestreben. Online-Buchungsplattformen helfen, die ersehnten Märkte außerhalb des DACH-Raums zu erreichen. Inder auf Zwischenstopp beziehungsweise Urlaub beispielsweise in Brand wären dann nicht länger touristische Eintagsfliegen am Weg zur Ganzjahres-Destination.

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