René Schmidpeter

Er ist ein international anerkannter Stratege für CSR (Corporate Social Responsibility), Vordenker und Publizist. Er lehrt an renommierten Hochschulen im In- und Ausland und ist wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für humane Marktwirtschaft in Salzburg. Er hat zudem einschlägige Publikationen zum Thema „Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“ veröffentlicht und ist Herausgeber der CSR-Management-reihe sowie der internationalen Flaggschiffreihe „CSR, Sustainability, Ethics and Governance“ beim Verlag Springer Gabler.

Wettbewerb schafft soziale Innovationen

Oktober 2014

Warum wir nicht weniger, sondern mehr Wettbewerb brauchen. René Schmidpeter, wissenschaftlicher Leiter des Salzburger Zentrums für humane Marktwirtschaft, erklärt, wie das Gemeinwohl am besten durch Unternehmertum, ökonomisches Denken und soziale Innovationen gefördert wird.

Derzeit verursachen die geopolitischen Entwicklungen große Unsicherheit: Internationale Wertschöpfungsketten werden – meist durch politische Konflikte – gefährdet. Oft werden gesellschaftlich erwünschte Marktchancen vereitelt, nur um partikulare Interessen durchzusetzen. Der Innovationsforscher Robert B. Rosenfeld prophezeit, dass weltweite Disruptionen weiter zunehmen und nach der Finanzbranche auch andere wichtige Branchen erfassen werden. Nicht erst seit der Etablierung des Internets und dem Zerbrechen etablierter Geschäftsmodelle herrschen Dynamiken, die Produktions-, Management- und Gesellschaftssysteme vor große Herausforderungen stellen. Die hohe Marktvolatilität, die begrenzten Ressourcen und die politischen Disruptionen in den globalen Wertschöpfungsketten haben Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Für Unternehmer stellt sich eine Kernfrage: Wie können wir in Zeiten des schnellen und fundamentalen Wandels nachhaltig wertschöpfen? Parallel dazu muss unsere Gesellschaft die zentrale Frage beantworten: Wie können wir die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen bewältigen? Dabei findet weltweit eine Neu­positionierung der Unternehmen in der Gesellschaft statt, Unternehmenslenker sprechen vermehrt von ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, von Corporate Social Responsibility und Social Innovation. Die Diskussion wird in Fachkreisen nicht mehr als ein Gegensatz zwischen Wirtschaft und Ethik konstruiert, sondern es wird ökonomisch aufgezeigt, dass nachhaltiges Wirtschaften konkrete Wettbewerbsvorteile bringt. Der Wettbewerb wird damit zum wichtigen Faktor für mehr Nachhaltigkeit.

Unternehmen erkennen, dass vertrauensvolle Lieferantenbeziehungen Transaktions- und Kontrollkosten senken, Investitionen in energiesparende Produktionstechniken die Energiekosten reduzieren und eine faire Behandlung der Mitarbeiter deren Motivation erhöht und Fachkräfte ans Unternehmen bindet. Durch den Wettbewerbsdruck werden die Interessen der Organisationen mit den Interessen der Gesellschaft durch CSR immer besser in Einklang gebracht. So entstehen neue Produkte, Prozesse, Geschäftsmodelle und Managementsysteme. Für diesen Wandel brauchen wir jedoch nicht weniger Wettbewerb – wie zum Beispiel von der Gemeinwohlökonomie gefordert –, sondern mehr! Erst Wettbewerb ermöglicht innovative Kooperationen und neue Kapitalallokationen. Beispiele sind Inclusive Business, Share Economy und Social Entrepreneurship.

Soziale Innovationen schaffen neue Lösungen für gesellschaftliche Probleme. Insbesondere in Entwicklungsländern sind die Innovationsmöglichkeiten immens. Der Wirtschaftswissenschaftler C. K. Prahalad hat diesen Markt auf insgesamt fünf Billionen US-Dollar geschätzt und so aufgezeigt, wie mit dem Prinzip von Inklusive Business neue Märkte zur Armutsbekämpfung genutzt werden können. Neue Geschäftsmodelle schaffen die notwendigen Angebote und zudem lokale Beschäftigung. Dies wiederum schafft Kaufkraft und führt so zu einem „Upgrading“ der dortigen Wirtschaft. Eine ähnliche Logik wirkt auch bei der Share Economy. Hier werden insbesondere in gesättigten Gesellschaften durch das Prinzip des Teilens neue Märkte geschaffen. Das Prinzip ist nicht neu. Auch der gute alte Maschinenring – in dem Landwirte gemeinsam auf einen Maschinenpool zugreifen – ist ein bereits lange erfolgreiches Geschäftsmodell. Neu ist, dass dank des Internets die Transaktionskosten gesunken sind und Teilen dadurch immer rentabler wird und auf immer neue Bereiche ausgeweitet werden kann. Dabei steht nicht das moralische Motiv asketischen Lebens im Vordergrund, sondern die ökonomische Effizienz, die zum Teilen motiviert. Harvard-Ökonom Martin Weitzman zeigte in seinen Arbeiten, dass sich der Wohlstand aller umso stärker erhöht, je mehr die Marktteilnehmer unter­einander teilen. Die Share Economy bedeutet nicht eine Verringerung des Wettbewerbs – wie von Sozialromantikern oft gerne dargestellt –, sondern sie weitet die Marktmöglichkeiten auf immer neue Bereiche aus. Dies schafft sowohl Mehrwert für die Gesellschaft als auch neue Geschäftsmöglichkeiten.

Dass innovative Geschäftsmodelle boomen, zeigt auch die Diskussion um Social Entrepreneurs. Für Sozialunternehmer steht die Beseitigung eines gesellschaftlichen Problems bzw. die Schaffung von gesellschaftlichen Werten im Vordergrund. Geld zu verdienen ist aber nicht unsozial, da die ökonomische Nachhaltigkeit genauso wichtig ist wie das angestrebte gesellschaftliche Ziel. Ein Unternehmen hat Kosten, und das Geschäftsmodell muss so ausgelegt sein, dass zumindest die Kosten gedeckt sind. Social Entrepreneurs stoßen meist in Marktlücken bzw. in Bereiche vor, in denen weder Staat noch Wohlfahrtsverbände eine Notwendigkeit sehen oder die Möglichkeit haben, gesellschaftlich zu wirken, und andere Unternehmen aufgrund der zu geringen Margen oder des zu großen Risikos nicht aktiv werden. Auch hier führt ein Mehr an Wettbewerb zu höherem Nutzen für die Gesellschaft.

Die gesellschaftlichen Entwicklungen führen also nicht nur zu Marktverwerfungen und steigendem gesellschaftlichen Druck, sondern ermöglichen erst neue Wettbewerbslösungen – weil bestehende Geschäftsmodelle immer unrentabler werden und der Wettbewerb um neue unternehmerische Lösungen zunimmt. Gleichzeitig verringern die Finanzkrise und der ökonomische Druck die Möglichkeiten staatlicher bzw. rein philanthropischer Lösungsansätze. Die Bedeutung von Unternehmertum, Wettbewerb und Eigentum nimmt in einer solchen Situation nicht ab – sie nimmt zu! Die gegenwärtige Krise schafft neue ökonomische Chancen, wenn wir die Ansätze der CSR, des Inklusive Business, der Share Economy und des Social Entrepreneurship unternehmerisch weiterentwickeln. Wir können durch anreizkompatible Management­modelle und soziale Innovationen sowohl die Grenzen des Wachstums wie auch die Grenzen des Gutmenschentums überwinden. Der gegenwärtige Wandel schafft Raum für neues Denken, weil Wirtschaft und Gesellschaft eben keinen Gegensatz darstellen. Durch den globalen Wettbewerb fokussieren immer mehr Unternehmer auf Geschäftsmodelle, die Mehrwert sowohl für die Gesellschaft als auch für das Unternehmen schaffen. Unternehmen sind Teil der Lösung und nicht Teil des Problems. Der Moraltheologe Adam Smith hat bereits im 18. Jahrhundert postuliert: „Es kann sicherlich eine Gesellschaft nicht blühend und glücklich sein, deren meiste Glieder arm und elend sind.“ Für uns ist das ein klarer Arbeitsauftrag, den Wettbewerb und das Unternehmertum im Sinne des ehrbaren Kaufmanns zu nutzen, um bessere Antworten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit zu finden. Und gerade dort, wo Politik versagt, ist das Vertrauen in den Unternehmer, der tagtäglich gesellschaftliche Innovationen vorantreibt, die einzig verbliebene Chance, eine nachhaltige Gesellschaft zu befördern.

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