Franz Schellhorn

(* 26. Mai 1969 in Salzburg) ist ein österreichischer Wirtschaftsjournalist und leitet die Denkfabrik Agenda Austria.

(Foto: © Agenda Austria)

Wirtschaftsstandort Österreich oder „Yes you can!“

November 2017

In Österreich wird gerne kritisiert und ungern gelobt. Ausländische Beobachter tun sich da deutlich leichter, wie zum Beispiel der Internationale Währungsfonds (IWF). Der IWF beschreibt Österreich als ein wohlhabendes, hoch entwickeltes Land mit einem hohen Lebensstandard. Besonders die vergleichsweise hohe Wirtschaftsleistung pro Kopf, die enorm hohe Produktivität und die effiziente Nutzung der verfügbaren Ressourcen stechen laut IWF positiv heraus. Auch aus gesellschaftlicher Perspektive schneidet Österreich gut ab. Neben der hohen Lebensqualität werden eine geringe Ungleichheit bei den Einkommen, ein geringes Armutsrisiko und hohe Zufriedenheit in der Bevölkerung festgestellt. Die Wirtschaft ist kaum von Streiks betroffen, der soziale Zusammenhalt ist groß und kaufkraftbereinigt hatten 2017 in der EU nur Luxemburg, Irland und die Niederlande ein höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf als Österreich. In der Eurozone weisen zudem nur Deutschland, die Slowakei, Slowenien und Lettland einen höheren Industrieanteil an der Wertschöpfung aus. Im europäischen Vergleich ist die Arbeitslosigkeit gering, und das duale Ausbildungssystem ist einer der Gründe für hohe Beschäftigung unter jungen Menschen. Im weltweiten Vergleich verfügt das Land zudem über eine hohe Arbeitsproduktivität. Es weist dank der wettbewerbsfähigen Unternehmen und insbesondere durch die Einnahmen aus dem Tourismus eine positive Bilanz mit dem Ausland in der Außenwirtschaft auf. Mehr als jeder zweite Euro wird im Ausland verdient. Die hohe Spezialisierung führt dazu, dass das Land über viele Weltmarktführer in sogenannten Nischenmärkten verfügt.

Schleichender Abstieg

Und dennoch liegt eine tiefe Unzufriedenheit in der Luft, wenn es um den Wirtschaftsstandort Österreich geht. Das kommt insbesondere davon, dass sich Österreich – von einem hohen Niveau ausgehend – in der vergangenen Dekade wenig weiterentwickelt hat. So konstatiert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass Österreich zwar außergewöhnlich stabil durch die Krise gekommen ist, die Wirtschaft in den vergangenen Jahren jedoch praktisch stagnierte. Gleichzeitig haben sich andere Länder mit Reformen nach vorne gearbeitet und die Attraktivität ihrer Standorte deutlich erhöhen können. Österreich hat gar nicht so viel falsch gemacht – aber viel Richtiges unterlassen. Während das BIP-Wachstum zwischen 2000 und 2010 in Österreich noch höher lag als im Schnitt der Eurozone, zählte es spätestens ab 2014 zu den Wachstumsnachzüglern. Der Staat hat versucht, dieser Entwicklung mit einer Erhöhung der öffentlichen Ausgaben entgegenzuwirken; 2016 war Österreich eines von nur vier Ländern in der Eurozone, deren öffentliche Ausgaben über die Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung erreichten. Neben Griechenland und Italien waren das jene Länder mit dem geringsten Wirtschaftswachstum. Die hohe Abgabenquote belastet die Bürger, die starke Regulierung hemmt die wirtschaftliche Dynamik. Die Arbeitslosenquote ist seit 2007 um 34 Prozent angestiegen, besonders besorgniserregend ist die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit, die sich mit zuletzt 121.000 Menschen seit 2007 verdreifacht hat. Diese Entwicklung lässt sich auch in den internationalen Wettbewerbsrankings nachvollziehen.

Laut „World Competitiveness Ranking“ des International Institute for Management Development (IMD) hat Österreich in den letzten zehn Jahren insgesamt 14 Plätze verloren. Schwachpunkt in Österreich ist laut IMD die Effizienz des Staates – und dort speziell die öffentlichen Finanzen, das Steuersystem sowie der institutionelle und der rechtliche Rahmen. Um Österreich nachhaltig wettbewerbsfähig zu machen und für die strukturellen Veränderungen der Zukunft vorzubereiten, sind Veränderungen notwendig. Die Agenda Austria konzentriert sich ihrer Wegbeschreibung „Yes you can – eine Roadmap in die Top Ten“ – nicht auf die vielen Stärken des Standortes. Wir legen Problemstellen offen, erarbeiten Lösungsvorschläge, mit deren Hilfe der Wirtschaftsstandort Österreich in die Top Ten zu führen ist. Dafür bedarf es eines Mixes aus höherer Kosteneffizienz und besseren öffentlichen Leistungen sowie kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen.

Österreich sollte sich das ehrgeizige Ziel setzen, einer der besten Standorte in Europa und der Welt zu werden. Dazu gilt es, sich in Europa mit einer ambitionierten Gruppe vergleichbarer Länder zu messen. Zu diesen Vergleichsländern, die oftmals auch ein Vorbild für Österreich sein können, zählen Deutschland, die Schweiz, die nordischen Länder Dänemark, Finnland und Schweden sowie die Niederlande, Irland und das Vereinigte Königreich.

Tipp! „Yes you can! Der Wirtschaftsstandort Österreich: Eine Roadmap in die Top Ten“, das Dokument zum Download unter www.agenda-austria.at/publikationen/

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