Peter Freiberger

Gefährliche Kämpfe Rad an Rad

Juli 2017

Auf der Straße herrscht Krieg. Ein martialischer Vergleich, aber die Auseinandersetzungen zwischen Rennradfahrern und Autolenkern nehmen dramatisch zu. Wer zu Mäßigung aufruft, riskiert zwischen die Fronten zu geraten.

Werfen wir einen Blick über die Grenzen: Auf den Straßen Italiens starben im Frühjahr bei Trainingsfahrten mit dem Fahrrad drei international bekannte Sportler – darunter zwei Weltstars. Die tödlichen Unfälle von Ex-Giro-Sieger Michele Scarponi, Ex-MotoGP-Weltmeister Nicky Hayden und der Triathletin Julia Viellehner zeigten auf erschreckende Weise und unabhängig von der Klärung der Schuldfrage, welchem Risiko Pedalritter auf den Straßen ausgesetzt sind. Die erschütternden Ereignisse rüttelten die Öffentlichkeit auch hierzulande wach.

Doch statt eines Nachdenkprozesses begann besonders in den sozialen Medien ein verbales Hauen und Stechen zwischen Radsportlern und Lenkern von motorisierten Fahrzeugen. Beide Seiten fingen an, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Radler werfen Autofahrern rücksichtsloses Verhalten vor, Autofahrer wiederum machen ihrem Ärger über angeblich egoistische Verhaltensweisen von Radfahrern Luft.

Ein Krieg der Worte, der sich auf den Straßen fortsetzt. Hier wird eine Radfahrergruppe knapp überholt und geschnitten, dort machen sich Radfahrer regelrecht breit auf der Straße, um Pkw-Lenker zu ärgern – ausgestreckter Zeigefinger jeweils inklusive. Schwere Unfälle scheinen vorprogrammiert zu sein.

„Die Zahl der Verkehrsunfälle, an denen Fahrradfahrer beteiligt sind, haben in den vergangenen Jahren zugenommen“, weiß Mario Amann, Geschäftsführer der Initiative Sicheres Vorarlberg. Wurden in unserem Bundesland im Jahr 1990 noch 397 Unfälle gezählt, so waren es im Vorjahr 629. Im Jahr 2016 gab es drei tote Radfahrer zu beklagen. Die Unfallstatistik weist 2016 außerdem mehr als 600 verletzte Radfahrer auf (inklusive E-Biker). „Damit nehmen die Radfahrer in diesem Punkt unter allen am Straßenverkehr teilnehmenden Gruppen bereits den zweiten Rang ein“, betont Peter Rüscher, stellvertretender Leiter der Verkehrsabteilung der Vorarlberger Polizei.

Konflikte entzünden sich oft daran, dass Autofahrer Radler mit zu geringem seitlichem Abstand überholen. Dieser muss laut Gesetz mindestens eineinhalb Meter betragen. Fällt er kleiner aus, fühlen sich die Radler gefährdet – zu Recht. Freilich – wenn gleich mehrere Pedalritter nebeneinander unterwegs sind und Überholmanöver auf schmalen Landstraßen oder im Ortsgebiet fast unmöglich erscheinen lassen, steigt den Kraftfahrern oft die Zornesröte ins Gesicht. Das ist nachvollziehbar, obwohl die Pedalritter im Recht sind.

Nebeneinander Rad fahren ist zwar in der Regel nur auf Radwegen, Fahrradstraßen, Wohnstraßen und Begegnungszonen erlaubt. Eine gesetzliche Ausnahme besteht allerdings bei Trainingsfahrten mit Rennrädern. „Wir interpretieren die entsprechende Regelung dahingehend, dass sie lediglich bei Trainingsfahrten von Radsportlern in Renntempo zur Anwendung gelangt – nicht bei Ausflugsfahrten mit Rennrädern“, sagt Jürgen Wagner, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit beim ÖAMTC Vorarlberg.

Ein Miteinander auf der Straße fordert Mario Amann von der Initiative Sicheres Vorarlberg. Er appelliert an die Radfahrer, ab einer Gruppe von sechs Sportlern Zweierreihen zu bilden, noch größere Gruppen sollten sich in mehrere Zweierreihen nacheinander aufteilen – inklusive Abstand dazwischen. Zwei Radfahrer nebeneinander bedeute für die Pkw-Lenker keinen Nachteil, denn der Wechsel auf die Gegenfahrbahn im Zuge eines Überholmanövers sei auch schon bei nur einem Radler notwendig. Amann stellt jedoch unmissverständlich klar: „Mehr als zwei Radfahrer Seite an Seite lehnen wir strikt ab!“

Wie wichtig das Miteinander auf der Straße ist, weiß auch Amanns 20-jährige Tochter Melanie, die erfolgreich Straßenradrennen bestreitet. Die Heeres-Sportlerin erlitt im Vorjahr bei einem Trainingsunfall mit einem Kleinlaster schwere Verletzungen. „Ich würde mir wünschen, dass sich alle Verkehrsteilnehmer mit mehr Rücksicht und Respekt begegnen. Schlussendlich sitzen in jedem Auto und auf jedem Fahrrad Menschen, die gesund und unfallfrei nach Hause kommen möchten“, sagt die Profisportlerin.

Polizist Peter Rüscher hat insgesamt den Eindruck, dass die genseitige Toleranz eher abgenommen hat und Aggressionen zunehmen. „Es sind inzwischen einfach auch viel mehr Radfahrer unterwegs“, versucht er eine Erklärung zu finden. Die stark wachsende Zahl an E-Bikern könnte die Situation weiter verschärfen. Ein Ende der Konflikte ist nicht in Sicht.

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