Bürokratie bremst Resozialisierung
Platzmangel, steigende Zahlen von Inhaftierten aus vieler Herren Länder mit unterschiedlichen Sprachen, laufend mehr Bürokratie und weniger Zeit, sich um die Häftlinge zu kümmern: Cornelia Leitner, die Leiterin der Justizanstalt Feldkirch, und ihre Mitarbeiter stehen täglich vor großen Herausforderungen.
Genau 101 Personen saßen mit Stichtag 15. Oktober in der Justizanstalt (JA) Feldkirch ein, die insgesamt Platz für 121 männliche und weibliche Häftlinge hat. In Dornbirn gibt es in der Kapuzinergasse eine Außenstelle für weitere 39 Personen. Die brutalsten Verbrecher Österreichs sind in Vorarlberg grundsätzlich nicht inhaftiert. Neben Untersuchungshäftlingen „beherbergt“ das landesgerichtliche Gefangenenhaus Feldkirch rechtskräftig verurteilte Erwachsene, die maximal 18 Monate „aufgebrummt“ bekamen, sowie Jugendliche mit einer Höchststrafdauer von sechs Monaten. Unter den Häftlingen befinden sich allerdings auch solche im sogenannten Entlassungsvollzug, deren Gesamthaftdauer die 18 Monate deutlich überschreitet.
In der öffentlichen Wahrnehmung nicht gleich bekannt wie das Gefängnis am Feldkircher Illufer ist die Außenstelle Dornbirn. Dort sitzen in der Kapuzinergasse Häftlinge im sogenannten gelockerten Vollzug ein – aktuell 31. Das bedeutet: Die Hafträume sind untertags offen, die Bewachung fällt weniger intensiv aus als in Feldkirch. Die Vorteile des gelockerten Vollzugs bleiben jenen vorbehalten, denen keine Gewaltbereitschaft attestiert wurde oder die kurze Freiheitsstrafen zu verbüßen haben. Unter anderem sind die Freigänger in der Kapuzinerstraße untergebracht. Die Anstaltsleitung entscheidet nach Beratung im Fachteam darüber, wer in den gelockerten Vollzug darf.
„Außenstelle“ Hausarrest
Zu den Häftlingen in Feldkirch und Dornbirn kommen noch die Strafhäftlinge im elektronisch überwachten Hausarrest – also jene, die eine elektronische Fußfessel tragen und ihre Strafe zu Hause verbüßen können. 18 rechtskräftig verurteilte Vorarlberger Straftäter genießen aktuell dieses Privileg. Darüber hinaus befinden sich im Landeskrankenhaus Rankweil sieben nicht zurechnungsfähige Straftäter.
Insgesamt verbüßen derzeit 150 Männer und sieben Frauen in Vorarlberg eine Strafhaft bzw. sitzen in Untersuchungshaft – darunter fünf Jugendliche. Bei den Männern macht die Gruppe der 21- bis 30-Jährigen mit 47 Personen den Löwenanteil aus. Die meisten Häftlinge – 20 Personen – haben Strafen bis maximal zwölf Monate erhalten. Bis zu drei Jahre „sitzen“ 19 Häftlinge, eine Person muss zehn Jahre verbüßen. 38 Menschen befinden sich in Untersuchungshaft. Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen – dazu zählen beispielsweise (Einbruch-)Diebstahl, Betrug und Untreue – führen die „Hitliste“ der Delikte an vor strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben – etwa Körperverletzung – und Delikten nach dem Suchtmittelgesetz.
67 Gefangene sind keine Österreicher. Die Palette von Häftlingen anderer Nationen setzt sich unter anderem zusammen aus Deutschen, Serben, Türken, Russen, Rumänen, Kroaten, Algeriern, Marokkanern und Tschechen. Entsprechend bunt fällt der Sprachenmix aus, und in logischer Konsequenz stellt die Kommunikation mit den Gefangenen die insgesamt 57 Justizwachebeamten vor Hürden.
„Gespräche mit diesen Personen gestalten sich natürlich kompliziert“, weiß Anstaltsleiterin Cornelia Leitner. „Dabei nimmt gerade die persönliche Betreuung das wesentlichste Element in der Resozialisierung ein“, sagt sie. Sprachliche Barrieren sind freilich nicht die einzige Herausforderung für die Justizwachebeamten. „Der Gesetzgeber sieht laufend neue Aufgaben für den Strafvollzug vor. Schriftverkehr, Dokumentations- und Berichtspflichten werden immer umfangreicher“, berichtet Leitner. Die Konsequenz: „Es fällt schwer, noch Zeit für das Gespräch mit Mitarbeitern und Inhaftierten zu haben. Wir alle können uns durch den Zeitfresser Schreibtischarbeit weniger persönlich um die Häftlinge kümmern.“
Zehn Quadratmeter Bewegungsfreiheit
Rund zehn Quadratmeter beträgt das Ausmaß eines Haftraums. Etwa 98 Prozent der Gefangenen sind in solchen Ein- bzw. Zwei-Personen-Zellen untergebracht. Geweckt wird um 6 Uhr morgens, Nachtruhe ist um 23 Uhr. Untertags arbeiten die Häftlinge in der hauseigenen Küche, Wäscherei, Tischlerei und Hauswerkstätte, übernehmen Heimarbeiten für externe Firmen oder sind als Freigänger beschäftigt. In der Freizeit besteht die Möglichkeit, sich Sport- und diversen Unterhaltungsgruppen anzuschließen. Ausländer können Deutschkurse absolvieren. Jeder Insasse hat das Recht auf täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien, Jugendliche dürfen zwei Stunden ins Freie.
Die Zeit in Strafhaft fällt Freigängern leichter als jenen, die die Justizanstalt nur in Ausnahmefällen verlassen dürfen. Und die Wirtschaft hat Interesse an den Freigängern. „Wir bekommen viele Anfragen von Unternehmen“, bestätigt JA-Leiterin Cornelia Leitner, „von Paketzustelldiensten bis hin zur Industrie.“
Gefragt nach ihren Wünschen, nennt Leitner „mehr Platz“ an erster Stelle – nicht bloß für die Inhaftierten, sondern ebenso für das Personal. Die Hoffnung, dass dieser Wunsch in naher Zukunft in Erfüllung geht, scheint freilich wegen der engen Budgetvorgaben nicht besonders groß.
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