J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Surrende Plagegeister

Mai 2017

Lassen Sie sich nicht täuschen: Auch im Winter waren sie da. Vielleicht sogar ganz in Ihrer Nähe, unbemerkt im Keller Ihres Hauses. Seit die kalte Jahreszeit vorbei ist, kommen die Stechmücken wieder aus ihren Verstecken – bereit, Ihnen manche gemütliche Stunde zu stören.

Es sind befruchtete Weibchen, die den Winter in Lagerräumen und Ställen, aber auch in hohlen Bäumen und an anderen frostgeschützten Orten überdauert haben. Eine erhöhte Luftfeuchtigkeit schützte sie dort vor dem Austrocknen. Nun aber sind die Widrigkeiten des Winters vorbei, und die Tiere sind wieder auf der Suche nach Opfern. Stechmücken stechen nicht aus Bosheit und Arglist, sondern schlicht aus Notwendigkeit. Blut und die darin enthaltenen Proteine sind unentbehrlich, damit die Eier im befruchteten Weibchen heranreifen. Um den Lebenssaft aufnehmen zu können, sind ihre Mundwerkzeuge zu einem komplexen Stechrüssel umgebildet. Die Injektion von Speichel erhält den Blutstrom aufrecht.

Es ist diese Speichelinjektion, die uns Menschen unangenehm ist. Sie löst lokal eine allergische Reaktion aus, sichtbar im Anschwellen der Haut rund um die Stichstelle. Aber auch Krankheitserreger können im Speichel übertragen werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Mücke zuvor ein bereits infiziertes Opfer angezapft hatte. Welche Krankheiten verbreitet werden, hängt von der Mückenart ab. Bei Malaria beispielsweise sind es die Weibchen der Gattung Anopheles, in denen die Parasiten heranreifen. Noch bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts war die Malaria auch nördlich der Alpen verbreitet – und dies, obwohl sie heute als Tropenkrankheit eingestuft wird. Erst mit der gezielten Bekämpfung der Anopheles-Mücken verschwand das „Sumpffieber“ aus unseren Breiten. Seither musste man sich in Mitteleuropa wenig Gedanken über Krankheiten machen, die durch Stechmücken übertragen werden. Doch die fortschreitende Globalisierung in Verbindung mit Veränderungen des Klimas könnte dies nur zu bald ändern.
Der Name „Sumpffieber“ weist den Weg zum Fortpflanzungsraum aller Stechmücken: Sie sind ans Wasser gebunden. Doch dabei sind sie genügsam: Regenwassertonnen werden ebenso angenommen wie kleine Tümpel, Gräben und Pfützen. Selbst die Weihwasserschüsselchen am Friedhof werden von manchen Arten zur Fortpflanzung genutzt. Im Wasser legen sie ihre Eier ab – bei der Ringelmücke (Culiseta annulata) rund 200 Stück, die in Schiffchen zusammengefasst sind. Bereits drei bis fünf Tage danach schlüpfen die Larven. Diese schweben an der Wasseroberfläche. Sie brauchen den Sauerstoff der Luft, den sie über ein Atemrohr am Hinterleib aufnehmen. Nach vier Larvenstadien wandeln sie sich zur Puppe, aus der nach wenigen Tagen das erwachsene Tier schlüpft. Ihre Lebenszeit als Larve im Wasser hängt von der Temperatur ab: Bei der Ringelmücke verkürzt ein Temperaturanstieg auf 24 bis 27 Grad Celsius die Larvenzeit von 18 auf 16 Tage. Temperaturen über 31 Grad überleben die Larven nicht.

Ihre Genügsamkeit bei der Größe des Fortpflanzungsgewässers hilft manchen Mückenarten dabei, neue Lebensräume zu erobern. Kleinste Wasserstellen genügen der Asiatischen Buschmücke (Aedes japonicus). So reisen ihre Larven gerne in den Pfützen im Inneren alter Autoreifen, die zum Recycling oft über weite Strecken verfrachtet werden. Aber auch jedes andere stehende Wasser in oder auf einem Fahrzeug kann als Transportmittel dienen. Ursprünglich in Japan, Korea und Südchina beheimatet, hat sich die Asiatische Buschmücke in den letzten beiden Jahrzehnten in Nordamerika und Europa ausgebreitet. Sie ist keine tropische Art, sondern kommt mit unserem gemäßigten Klima sehr gut zurecht. Bereits 2008 war sie in der Schweiz zwischen Basel und Zürich verbreitet. Damit war es nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Buschmücken in Vorarlberg auftauchen würden.

Seit 2011 wurde also im Ländle nach Aedes japonicus Ausschau gehalten, aber erst 2015 entdeckte ein Forscherteam wenige Larven in einer Wassertonne in Hohenweiler. Im selben Jahr folgten Funde in Hörbranz, Lustenau und im Montafon – ebenso im benachbarten Liechtenstein. Gab es 2008 noch keine Nachweise östlich von Zürich, so hat die Asiatische Buschmücke in den darauffolgenden sieben Jahren ihr Areal um rund 100 Kilometer nach Osten erweitert. Wie verbreitet sie im Ländle aber wirklich ist, können wir nur vermuten: Wie auch die heimische Ringelmücke hat sie schwarz-weiß gemusterte Beine und kann damit leicht mit erstgenannter Art verwechselt werden. Und wer schaut einer Stechmücke schon auf die Beine, bevor er sie bis zur Unkenntlichkeit zerquetscht!

Eine weitere leicht zu verwechselnde Art ist die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), ebenfalls ein Neuankömmling. In Österreich ist diese Art erst im Burgenland und in Tirol nachgewiesen; aber auch in Graubünden wurde sie bereits gesichtet. Im Gegensatz zur Buschmücke bevorzugt sie ein etwas wärmeres Klima. Es wird sich zeigen, ob ihr der Klimawandel ermöglicht, auch in unseren Breiten heimisch zu

werden.
Seit der Mensch auf diesem Planeten reist, verschleppt er Tiere und Pflanzen. Zwei neue Mückenarten sollten da nicht ins Gewicht fallen. Und doch könnten die beiden „Asiaten“ Österreichs Mediziner vor neue Herausforderungen stellen – sind sie doch Überträger von Tropenkrankheiten wie West-Nil-, Chikungunya- und Dengue-Fieber. Panik ist dennoch nicht angebracht: Erst wenn auch die Erreger angekommen sind, können die Mücken diese Krankheiten übertragen. Aber es gilt, wachsam zu sein – ohne gleich Vasen und Weihwasserbecken von den Friedhöfen verbannen zu müssen.

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