Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Das Telefonbuch – Zeuge einer Epoche

Februar 2017

Dornbirn hatte sich geschmückt, um 1881 Kaiser Franz Joseph I. bei seinem Besuch gebührend zu empfangen. Vom Bahnhof gelangte er mit der Kutsche ins Gütle, von wo aus er mit dem Büro der Firma Hämmerle im Oberdorf telefonierte. Der erste Schritt in eine neue Ära der Kommunikation war getan, denn es handelte sich um den ersten Telefonanruf im Kaiserreich.

Das Telefonbuch in seiner ursprünglichen Form hat seine Funktion schon längst verloren. Von einem vollständigen Verzeichnis aller Telefonbesitzer ist es von Jahr zu Jahr weiter entfernt, die Fernsprechteilnehmer – so wurden Personen mit Telefonanschluss früher genannt –, die ihre Daten noch zur Verfügung stellen, finden sich schneller und bequemer in Online-Datenbanken, die laufend aktualisiert werden können.

Telefonbücher werden normalerweise nicht aufbewahrt, sie sind keine Sammelobjekte und werden zumindest in privaten Haushalten entsorgt, wenn sie durch die jeweils neue Auflage ersetzt werden. Viele ältere Telefonbücher sind aus diesen Gründen nicht oder nur unvollständig erhalten. Trotzdem sind sie wertvolle Dokumente, die die Entwicklung einer technischen Erfindung dokumentieren, die unser aller Leben nachhaltig verändert hat.

Sogar in Bibliotheken werden Telefonbücher nur stiefmütterlich behandelt und oft ganz vernachlässigt, obwohl es sich dabei um aussagekräftige Quellen zur Technik- und Bevölkerungsgeschichte handelt. Auch in der Vorarlberger Landesbibliothek ist einew Sammlung an Vorarlberger Telefonbüchern nur einer umsichtigen Mitarbeiterin der Wiener Postzentrale zu verdanken, die bei der Auflösung des dortigen Archivs die jeweiligen Landesbibliotheken angefragt hatte, ob sie die Bestände übernehmen wollen. So gelangte eine umfangreiche, aber leider nicht ganz vollständige Sammlung an Vorarlberger Telefonbüchern, die mit dem Jahr 1925 beginnt, in die Bibliothek. Dem ältesten „Amtlichen Verzeichnis der Fernsprechteilnehmer für Vorarlberg“ sind Verhaltensregeln für die unkundige Bevölkerung vorangestellt. So wird klares, deutliches Sprechen in den Schalltrichter empfohlen; außerdem sollten die Gespräche möglichst kurz gehalten werden. Der Hörer soll während der ganzen Dauer des Gesprächs – nicht nur beim Hören, sondern auch beim Sprechen – am Ohr gehalten werden. Der Mund muss dabei drei bis zehn Zentimeter vom Schalltrichter entfernt bleiben. Da bei Anrufen immer eine Vermittlung notwendig war, wurde auch eine Buchstabiertabelle abgedruckt, um die Kommunikation zu erleichtern. Die Verbreitung der privaten Anschlüsse war damals noch sehr klein, so gab es etwa in Hörbranz erst sechs Anschlüsse: für Bad Diezlings, die Fahrradfabrik Bilgeri, den Gemeindearzt, das Gemeindeamt, den Gendarmerieposten sowie den Gemeindevorsteher Xaver Hiebeler. In Laterns hatten 1925 nur die drei Gasthäuser Löwen, Kronen und Sternen ein Telefon. In Riefensberg oder in Klösterle gab es auch 1933 erst zwei Teilnehmeranschlüsse.

Es waren allerdings 1925 schon viele Jahre vergangen, seit in Vorarlberg der erste Telefonanruf getätigt wurde. Franz J. Huber beschrieb 1981 in der Zeitschrift „Montfort“ ausführlich, dass 100 Jahre früher in der Firma Hämmerle in Dornbirn das erste Telefonat der Donaumonarchie geführt wurde. Es war kein geringerer als Kaiser Franz Joseph I., der zwischen unterschiedlichen Standorten der Firma das erste Gespräch führen durfte. Dem Kaiser wurde im Gütle der Apparat erklärt, bevor er mit Baptist Hämmerle in Dornbirn-Oberdorf telefonieren konnte. Als Beweis, dass er den Sprechenden verstanden habt, wiederholte er hocherfreut und laut für alle hörbar dessen Worte.
Der Vorarlberger Textilbetrieb hatte schon sehr früh auf die neue Technologie gesetzt, war die Erfindung von Phillip Reis im Jahr 1860 doch erst 1878 durch den elektrodynamischen Kopfhörer von Graham Bell ein praktikables Instrument der Kommunikation geworden.

Von der Einrichtung des Telefons im Gütle bis zur Installation eines öffentlichen Telefonnetzes in Dornbirn vergingen dann weitere zehn Jahre. Das erste Telefonverzeichnis von Dornbirn und damit der Vorläufer eigentlicher Telefonbücher wurde im Dornbirner Gemeindeblatt vom 1. November 1891 abgedruckt. Demnach gab es damals 22 „Telephon-Abonnenten“, hauptsächlich Unternehmer oder Gastronomiebetriebe. Zum ersten Mal konnte zwischen Feldkirch und Dornbirn am 17. November 1891 telefoniert werden, „Ferngespräche“ mit Bregenz waren ab Jänner 1892 möglich.

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