Alois Niederstätter

Direktor des Vorarlberger Landesarchivs

Von schanzenden Autos, Hirschleichen und Fohlenhengsten

Juni 2015

Dass Sprachen sich mehr oder weniger rasch verändern, ist weder gut noch schlecht, sondern eine von mehreren Faktoren beeinflusste Dynamik. Nachschlagewerke – wie der „Duden“ für das Deutsche – dokumentieren sie in ihren Neuauflagen. Man mag es bedauern, wenn Vertrautes verschwindet, oder ärgerlich finden, wenn Neues nicht auf Anhieb verstanden wird. Zu verhindern ist dieser Prozess selbst durch staatliche Normen – siehe Frankreich – nicht.

Freilich: Es gibt jeweils gültige Regeln bzw. Konventionen, was hochsprachlich „richtig“ oder „falsch“ ist. Sie nachhaltig zu vermitteln, galt lange Zeit als ein wesentlicher Zweck schulischen Unterrichts, sie zu beherrschen als Voraussetzung für journalistische Textproduktion. Zumindest Letzteres hat sich, wie der regelmäßige Konsum hiesiger Medien lehrt, grundlegend verändert: In Unfallberichten, die fatal an missglückte Besinnungsaufsätze erinnern, liest man etwa, dass Autos „schanzen“ und damit eine vorwiegend der Pioniertruppe zugewiesene Tätigkeit verrichten. Kühe bekommen heutzutage keine Kälber mehr, sondern „Kinder“; auf der Straße liegt die „Leiche“ eines Hirschs, und in Lustenau wird anstelle eines Hengstfohlens ein „Fohlenhengst“ „getauft“. Da kann die „Kapitulierung“ der deutschen Wehrmacht nicht mehr verwundern und die Mitteilung, N. N. sei Mitglied „vom“ Obstbauverein, als Etappensieg im Kampf gegen den Genitiv gefeiert werden.

Ließe man den grammatischen, semantischen und stilistischen Kriterien die gleiche Sorgfalt angedeihen wie der Überprüfung der „geschlechtergerechten Schreib- und Darstellungsarten“ – damit auch ja aus Fußgängern „zu Fuß Gehende“ werden und sich durch „fachmännisch“ niemand diskriminiert fühlt –, wäre schon viel geholfen!