Georg Sporschill

Jesuitenpater und Sozialseelsorger

Wenn Außenseiter mit auf Reisen gehen

Mai 2015

Wenn ich mit einer Gruppe auf Reisen gehe, nehme ich immer jemanden mit, der sich eine solche Reise entweder nicht leisten kann oder nicht zur übrigen Reisegesellschaft passt – einen Jungen, ein Straßenkind, einen ehemaligen Strafgefangenen, eine Ausländerin. Und immer wieder stelle ich das Gleiche fest: Dieser bunte Vogel mischt stets die ganze Reisegruppe auf, im positiven Sinn. Es profitieren alle von der für sie ungewohnten Begleitung. Fassaden werden aufgebrochen. Der Außenseiter wird auf diesen Fahrten nie zu einer Belastung, im Gegenteil. Und warum? Weil die Schwachen das Beste aus den Starken herausholen – wenn es die Starken denn auch als Aufgabe ansehen, sich um den Schwächsten in der Gruppe zu kümmern.

Vor vielen Jahren hatte ich beispielsweise eine Jugendgruppe in Wien. Mitglieder dieser Gruppe kamen zu mir und baten mich, einen schwierigen Jugendlichen doch bitte in eine andere Runde zu versetzen, da er nur störe. Ich erfüllte ihnen den Wunsch. Ein paar Wochen später baten die Jugendlichen mich erneut um Hilfe – diesmal sei es ein Mädchen, das nicht in die gemeinsame Runde passe. Wieder folgte ich dem Wunsch. Ergebnis? Es gab bald gar keine Gruppe mehr. Sie hatte sich aufgelöst. Weil immer wieder ein anderer Jugendlicher der Schwächste war und ausgestoßen wurde. Das Mädchen, von dem ich sprach, war wirklich unerträglich. Aber es wäre die Aufgabe gewesen, genau dieses Mädchen zu integrieren. Denn erst ein schwaches Mitglied macht eine Gruppe stark und menschlich –  wenn man es als Aufgabe sieht und nicht als Belastung, sich um Schwächere zu kümmern. Gelingt das, kann in einer Gruppe auch der Schwache erstarken. Wenn Stärke allein dem Selbstzweck dient, wird sie gefährlich. Stärke ist keine Schwäche, wenn man sie in einen vernünftigen Dienst stellt.