Gebhard Mathis

Palliativmediziner

Wiedereinstieg

Mai 2015

Krebs wird heute wesentlich öfter geheilt als noch vor 20 Jahren. Der Preis für das gestiegene Überleben ist für viele hoch. Zuerst steht die existenzielle Bedrohung, die oft anhält und wiederkehrt. Dann sind es zeitaufwendige und teils auch sehr belastende Behandlungen: chirurgische Eingriffe, Chemo- und/oder Strahlentherapie. Manche von diesen – häufig erfolgreichen – Behandlungen verursachen Spätschäden wie Nervenschmerzen oder anhaltende Müdigkeit.

Der Wiedereinstieg in ein normales Leben, heute „bio-psycho-soziale Rehabilitation“ genannt, ist auch bei anderen Erkrankungen mühsam. Heilbar Kranke in die Pension zu drängen, ist wohl die unwürdigste und teuerste Lösung.

Krebs wird zunehmend zu einer chronischen Krankheit. Viele dieser Patienten wollen arbeiten, können aber nicht die volle Leistung erbringen. Arbeit erhöht den Selbstwert und lässt die Bedrohung durch die Krankheit nicht im Vordergrund stehen. Soziale Kontakte werden neu gepflegt. Das gesicherte Einkommen schützt vor der Armutsfalle, die wir heute in der Krebshilfe immer öfter beobachten.

Viele Arbeitgeber wollen auf die Erfahrung ihrer krebserkrankten Mitarbeiter bauen. Orientieren könnten sich die Sozialpartner am deutschen Modell, wo die Wiedereingliederung seit zehn Jahren gesetzlich geregelt ist.
Eine verbindliche Struktur zum Wiedereinstieg nimmt die Angst vor Arbeitslosigkeit und erhöht die Motivation. Sonst droht der Absturz in eine Minderleister-Spirale. Ein transparentes Konzept wirkt sich positiv auf die Kollegen aus, weil sie vertrauen können, dass auch ihnen im Krankheitsfall dieses Modell offen steht. Die letzte Phase einer Rehabilitation ist die Arbeit, was für etliche Krankheiten gilt.
Letztlich gibt es nur Gewinner: zuerst die Betroffenen selbst, dann die Unternehmer und schließlich die Sozialversicherungen.