Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Die „stille Reserve“ am Arbeitsmarkt

November 2023

Ungenütztes Arbeitskräftepotenzial in Österreich: WIFO spricht von 312.000 Personen in der „stillen Reserve“.

 
Aktivierbare Arbeitsmarktpotenziale und „stille Reserven“ in Österreich: Unter diesem Titel stellte das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) Mitte Oktober eine Studie vor, laut der in Österreich – über die Gruppe der Arbeitslosen hinaus – „erhebliche zusätzliche Potenziale an Arbeitskräften bestehen“. Teilzeitbeschäftigte, die gerne mehr arbeiten möchten sowie Personen in der sogenannten „stillen Reserve“ bilden dieses ungenutzte Arbeitskräftepotenzial; wobei die Forscher mit dieser „stillen Reserve“ jene potenziellen Arbeitskräfte beschreiben, „die weder beschäftigt noch arbeitslos gemeldet sind, teilweise entmutigt und marginalisiert sind, oder aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr aktiv nach Arbeit suchen.“ 
Und warum wird nicht nach Arbeit gesucht? „Die Analyse nach Altersgruppen ergibt für Ältere als wichtigsten Grund für die aktuell eingestellte Arbeitssuche, dass keine passende Arbeit verfügbar ist.“ Dieser Anteil an Personen, die denken, dass keine geeignete oder passende Arbeitsstelle für sie verfügbar ist, steigt zudem mit dem Alter. Bei Jüngeren werden am häufigsten Ausbildungsaktivitäten angeführt.
Diese „stille Reserve“ stellt laut den Ökonomen gar den Großteil des ungenutzten Arbeitskräftepotenzials dar. „Wir sprechen von bis zu 312.000 Personen“, sagte WIFO-Ökonom Helmut Mahringer bei der Präsentation der Studie. Dazu kommen noch 139.000 unfreiwillig – unterbeschäftigte – Teilzeitkräfte, also Personen, die gerne mehr Stunden arbeiten möchten: „Die meisten davon wünschen sich mehr Stunden in ihrer bestehenden Arbeit, im Schnitt um elf Stunden mehr“. In Summe ist also die Rede von rund 450.000 Personen, die entweder der „stillen Reserve" zuzurechnen oder unfreiwillig beziehungsweise unterbeschäftigte Teilzeitbeschäftigte sind. 
Deren Aktivierung wäre für den Arbeitsmarkt ergo von großer Bedeutung. „Die Nutzung dieser Potenziale gewinnt bei der abzusehenden schwächer werdenden Zunahme des Arbeitskräfteangebots an Bedeutung“, heißt es in der Studie. Doch leicht wird das nicht sein, Ökonom Mahringer erklärte: „Häufig ist die Aktivierung dieses Potenzials nur mit dem Abbau von Erwerbshindernissen, etwa der Unvereinbarkeit mit Betreuungsaufgaben, mangelnder Kompetenzen, einem Mangel an geeignet ausgestalteten Arbeitsplätzen für gesundheitlich Beeinträchtigte oder schlechter Sprachkenntnisse zu erreichen.“ Bestimmte Personengruppen sind in der „stillen Reserve“ übrigens überrepräsentiert: Frauen, Personen mit Migrationshintergrund und Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen. 
Wie kam es aber überhaupt zum Arbeitskräftemangel? Die Zusammenhänge werden in der Studie in aller Kürze erklärt. Es heißt: „Der kräftige Konjunkturaufschwung im Zuge der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie, der plötzliche Rekrutierungsbedarf nach Ende der Lockdowns und der Produktionseinschränkungen, die Beschäftigungseffekte der öffentlichen Ausgaben im Zuge der Pandemiebekämpfung sowie der saisonal hohe Besetzungsbedarf führten ab 2021 zu einem deutlichen Anstieg der offenen Stellen.“ 
Die Studie „Aktivierbare Arbeitsmarktpotenziale und ‚stille Reserven‘ in Österreich“ findet sich unter „Publikationen“ auf der WIFO-Homepage
wifo.ac.at

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