Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Kleines Land, offene Grenzen – weltweit erfolgreich

Februar 2015

Krane im Südatlantik, Seilbahnen in Bolivien: Vorarlberg ist – gemessen an der Einwohnerzahl – das export­stärkste Bundesland Österreichs.
Und das Exportvolumen ist im ersten Halbjahr 2014 weiter gewachsen. Interessanterweise ist die Kleinheit unseres Bundeslandes einer der Gründe für den Erfolg im Export – von dem nicht nur die Unternehmen, sondern das gesamte Land profitieren.

Blum-Beschläge, Krane von Liebherr oder Seilbahnen von Doppelmayr, Fruchtsäfte von Rauch oder von Pfanner, Designerstrümpfe von Wolford oder Skier von Head, Kunststoff-Verpackungen von Alpla oder LED-Leuchten von Zumtobel – Vorarlberg ist, bezogen auf die Einwohnerzahl, das exportstärkste Bundesland Österreichs. Die erwähnten Beispiele sind nur einige  von vielen – und Vorarlbergs florierende Zulieferbetriebe oder die verarbeitende Industrie sind da noch gar nicht erwähnt –, die weltweit agieren und so allesamt zur hohen Exportquote beitragen. Und Vorarlbergs exportierende Wirtschaft wächst auf hohem Niveau weiter. Laut Außenhandelsbilanz ist der Gesamtwert der Exporte im ersten Halbjahr gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013 um 7,1 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro gestiegen. Kein anderes österreichisches Bundesland konnte in diesem Zeitraum ein ähnlich hohes Export-Wachstum verzeichnen. „Selbst auf dem hohen Niveau, auf dem der Vorarlberger Export jetzt schon ist, lässt die Dynamik nicht nach“, sagt Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser. „Hochgerechnet wird der Export im Gesamtjahr 2014 die Neun-Milliarden-Euro-Grenze erreichen.“ Laut Wirtschaftsforscher Helmut Kramer werden 60 Prozent der im Land erzeugten Güter exportiert: „Und da ist noch nicht einmal miteingerechnet, was Vorarlberg über den Arlberg, also in andere Bundesländer, liefert.“

International tätig

Der größte Teil der Vorarlberger Außenhandelsgeschäfte wird dabei innerhalb der Europäischen Union abgewickelt, 60 Prozent des gesamten Exports gehen in den EU-Raum. Von Jänner bis Juni 2014 wurden Waren im Wert von 2,58 Milliarden Euro in EU-Mitgliedstaaten verkauft. Wichtigster Handelspartner der exportierenden Wirtschaft Vorarlbergs ist und bleibt Deutschland, gefolgt von der Schweiz, Italien, Frankreich und den USA. Aktuell haben etwa Daunenaufbereiter Kauffmann in Hörbranz einen Großauftrag von Hugo Boss und das Bauunternehmen Hilti & Jehle mit Hauptsitz in Feldkirch einen Großauftrag in Hongkong an Land gezogen. Einige Export-Beispiele aus dem Jahr 2014, wiederum stellvertretend für den gesamten Export ausgewählt:

Die Zumtobel Group und der renommierte Fußballklub Borussia Dortmund schlossen eine auf fünf Jahre angelegte Kooperation ab, die verschiedene Beleuchtungsprojekte sowie Kundenbindungsprogramme umfasst. Alcolor in Nenzing, in Sachen Pulverbeschichtung und Blechtechnik tätig, gab bekannt, in den kommenden Jahren für einen namhaften europäischen Automobilhersteller 1,1 Millionen Bauteile zu beschichten, die in Elektrofahrzeugen zum Einsatz kommen werden. Und das Harder Unternehmen Künz wird 22 vollautomatische Stapelkrane nach Rotterdam liefern – ein Folgeauftrag, nachdem Künz dem Hafen Rotterdam bereits 28 Krananlagen geliefert hatte.

Export in ferne Länder

Doch auch in entlegenste Gebiete wird exportiert. Auf St. Helena, einer kleinen Insel im Südatlantik, 1859 km von Afrika und 3286 km von Südamerika entfernt, entsteht derzeit ein internationaler Flughafen. Im Einsatz sind dabei Geräte von Liebherr Nenzing – ein Raupenkran und ein Hydroseilbagger. Und abseits von St. Helena? Laut Liebherr-Marketingleiter Wolfgang Pfister waren bei Baumaschinen „starke Impulse aus Nordamerika zu verspüren“, während bei maritimen Kranen rund ein Drittel der Auftragseingänge auf die Region Asien entfallen seien: „Im vergangenen Jahr ist in diesem Bereich vor allem auch der hohe Anteil von Afrika hervorzuheben, was insbesondere auf einen Großauftrag von 20 Hafenmobilkranen nach Algerien zurückzuführen ist.“

In La Paz, Bolivien, hat Doppelmayr das größte urbane Seilbahnnetz der Welt realisiert, ein gigantisches Projekt. Bei der feierlichen Eröffnung im Dezember 2014 dankte Präsident Evo Morales den Vorarlbergern: „Ein Applaus für die Firma Doppelmayr.“ Den dürfte es bereits öfter gegeben haben: Das Unternehmen mit Sitz in Wolfurt hat bis heute über 14.500 Seilbahnsysteme in 89 Staaten realisiert – die Doppelmayr/Garaventa-Gruppe ist Welt-marktführer im Seilbahnbau. „Vorarlberger Unternehmer“, erläutert Wirtschaftsforscher Kramer, „sind gegenüber dem Außenhandel und gegenüber neuen Märkten und fremden Ländern sehr aufgeschlossen.“

Märkte mit Potenzial

Das weltweite Agieren sieht man bei Weltmarktführer Blum in Höchst als Vorteil. „Die breite Marktstreuung ist eine große Risikoverteilung, sie bringt die Unabhängigkeit von einem einzigen Markt“, sagt Gerhard E. Blum, Konzernchef des Unternehmens. Blum produziert in Höchst, ist in über 100 Märkten tätig  und hat einen Auslandsumsatzanteil von 97 Prozent. Jeder Markt, der einen Bedarf habe oder einen Lebensstil, in dem Küchen und Möbel von Bedeutung sind, ist laut Geschäftsführer Blum prinzipiell von Interesse: „Bei uns spielt jeder Markt eine Rolle, in dem wir ein Potenzial für die Zukunft sehen, auch wenn das erst in fünf oder zehn Jahren der Fall sein wird.“ Das Unternehmen ist deswegen bereits im Norden und im Süden Afrikas tätig, laufend werde versucht, den afrikanischen Markt weiter zu erschließen. Doch sind nicht nur neue Märkte von Interesse, „wir sind immer bestrebt, in den  bestehenden Märkten Service und Kundendienst weiter zu verbessern“. Gerhard E. Blum spricht in diesem Zusammenhang von einem „permanenten Prozess“ und davon, dass eben die Pflege der bestehenden Märkte eine zentrale Rolle spiele. Um im Export erfolgreich sein zu können, brauche es nebst einem entsprechenden Produkt auch das Verständnis der Mentalität in den Märkten, in denen man tätig ist: „Zudem muss man mit den entsprechenden Vertriebsstrukturen in den Märkten vor Ort präsent sein.“

Verdientes Vertrauen

Omicron electronics exportiert in mehr als 140 Länder weltweit. Die Exportquote des Klauser Unternehmens, das Prüf- und Diagnosesysteme für die elektrische Energieversorgung entwickelt, liegt bei 98 Prozent. „Ohne Export würde es uns nicht geben“, sagt Geschäftsführer Manfred Strauß, „wir sind in einer Nische und müssen deswegen weltweit tätig sein.“ In Analogie zu Blum misst auch Strauß der Pflege bestehender Märkte entscheidende Bedeutung bei: „Wenn ein Kunde erstmals eines unserer Produkte kauft, dann ist das ein Vertrauensvorschuss. Wenn er das zweite Mal kauft, ist das verdientes Vertrauen.“  Erfolgreich sein könne ein Unternehmen in seiner Branche nur mit der Kombination aus innovativen Produkten und innovativem Service.

Laut Außenhandelsbilanz sind Eisen- und Metallwaren die bedeutendste Warenobergruppe – im ersten Halbjahr 2014 wurden entsprechende Produkte im Wert von 1,192 Milliarden Euro exportiert. Die Kessel- und Maschinenindustrie wiederum erzielte ein Ausfuhrvolumen von 900 Millionen Euro, während von der Nahrungs- und Genussmittelindustrie Waren im Wert von 417 Millionen Euro exportiert wurden. Chemische und pharmazeutische Produkte sowie Kunststoffe spielen mit einem Exportvolumen von 327 Millionen Euro ebenfalls eine beträchtliche Rolle. Vergleicht man Vorarlberg mit wirtschaftsstarken Regionen der Ostschweiz oder Süddeutschlands, unterstreicht das nur die Export-orientiertheit der hiesigen Wirtschaft: Vorarlberg exportierte Ende 2012 – zu diesem Zeitpunkt wurde der Vergleich gezogen – pro Kopf mehr als der Kanton St. Gallen oder die Länder Baden-Württemberg und Bayern. „Vorarlberg exportiert, ebenfalls auf die Einwohnerzahl gerechnet, pro Kopf auch mehr als die US-Amerikaner oder die Japaner“, berichtet Wirtschaftslandesrat Rüdisser.

Die Basis des Wohlstands

Für den Standort Vorarlberg, für das gesamte Land, ist  diese hohe Exportquote von entscheidender Bedeutung. Ein Großteil der Bevölkerung profitiert davon, dass Vorarlbergs große – und verstärkt auch mittlere – Unternehmen auf den internationalen Märkten erfolgreich sind. Nach der Einschätzung von AMS-Landesdirektor Anton Strini ist jeder zweite Arbeitsplatz im Land Vorarlberg direkt oder indirekt vom Export abhängig. Die Exportzunahme 2013 war laut Strini „ein wesentlicher Faktor, dass in unserem Land die Beschäftigung um 1,6 Prozentpunkte gestiegen ist – und Vorarlberg damit die höchste Steigerung aller Bundesländer verzeichnen konnte.“

Wirtschaftskammer-Direktor Helmut Steurer sagt: „Der Export spielt die wesentliche Rolle für den Wohlstand in diesem Land.“ Basis dieses Erfolgs sei neben der Innovationskraft der Unternehmen und deren Mut, internationale Märkte zu erobern, ein vertrauensvolles und loyales Zusammenspiel zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Und das Resultat werde in Vorarlberg vernünftig geteilt: „Unternehmen erwirtschaften über den Export so hohe Erträge, dass sie weiter investieren können – und bieten ihren Facharbeitern ein überdurchschnittliches Einkommensniveau samt herausfordernden, spannenden Jobs.“ Standorttreue zeichnet die Unternehmer aus. Und die Arbeitnehmer haben entscheidenden Anteil. „Einer der Vorteile in diesem Land liegt ganz klar in den Mitarbeitern, die eine sehr hohe Arbeitsethik haben“, sagt Gerhard E. Blum. Erfolgreiche Unternehmer würden sich weltweit durch eine hohe Leistungsbereitschaft, eine gewisse Hartnäckigkeit und auch durch Sturheit auszeichnen, erklärt Gerhard Schwarz, Direktor der Denkfabrik „avenir suisse“. Und doch sieht der langjährige NZZ-Wirtschaftschef, ein gebürtiger Vorarlberger, eine Besonderheit der Unternehmerschaft in unseren Breiten:  „Viele Unternehmer in Vorarlberg und in der Schweiz sind bodenständig geblieben, weswegen auch die klassenkämpferischen Töne weniger ausgeprägt sind als anderswo.“

Nischenweltmeister

Vorarlberg hat laut einer Erhebung von Georg Jungwirth, Professor an der Fachhochschule „Campus 02“ in Graz, 17 Nischenweltmeister, pro Kopf gerechnet die meisten in ganz Österreich. Jungwirth bezeichnet als Nischenweltmeister Unternehmen, die es in ihrem Geschäftsfeld oder ihrer Nische bis an die Weltspitze gebracht haben, ergo Weltmarktführer sind. Der Professor nennt beispielhaft vier derartige Nischenweltmeister: „WolfVision, Weltmarktführer im Bereich High End Visualizer; Baur Prüf- und Messtechnik, Weltmarktführer bei Hochspannungs-, Prüf- und Messtechnik; Bachmann electronic, Weltmarktführer bei Windkraftsteuerungen, und Walser, Weltmarktführer bei Autositzbezügen.“ Unternehmen in Jungwirths Liste – aufgenommen wird nur, wer unterhalb der 200-Millionen-Euro-Jahresumsatz-Grenze liegt – haben ihren Sitz in Vorarlberg, weisen klassische mittelständische Strukturen auf, sind familien- oder eigentümergeführt, haben flache Hierarchien. „Hidden Champions“ nennt Jungwirth diese Firmen, die der breiten Öffentlichkeit oftmals nicht so bekannt seien, weil überwiegend im Zulieferbereich tätig. „Ein Merkmal dieser Nischenweltmeister ist, dass sie viel Geld für Forschung und Entwicklung ausgeben – im Schnitt zehn Prozent ihres Jahresumsatzes.“ Investitionen, die sich laut dem Professor lohnen: „Forschung und Entwicklung sind die Basis für technologisch hochstehende Produkte. Und für ihre hochstehenden Produkte können diese Unternehmen auf den internationalen Märkten höhere Preise verlangen.“

Nicht von außen dirigiert

Helmut Kramer, der frühere WIFO-Chef, nennt gemeinsame Merkmale der Vorarlberger Unternehmen: „Sie haben sich überwiegen aus familiärer Tradition hochgearbeitet, werden nicht von außen dirigiert, weil sie keine Tochter-firmen von internationalen Multis sind. Vielmehr haben sich diese Leitbetriebe im Laufe der Zeit gut in ihre jetzige Dimension hinaufgearbeitet.“ Und ein weiteres Merkmal ist, dass es sich bei diesen Firmen nicht um Produzenten von Standard- und Massenprodukten handelt, sondern dass sie in Nischen agieren, in denen sie das Monopol haben und so auch Preissetzer werden.“ Zurückzuführen sei auch das auf die geografische Lage, „die für Massenproduktion nicht tauglich ist“. Die Kleinheit des Landes ist also mitverantwortlich für den Exporterfolg Vorarlberger Unternehmen. Manfred Strauß sagt schlicht: „Der Heimmarkt ist zu klein – wir müssen raus.“

Entbürokratisierung!

Dem nun begonnenen Ausbau des Güterbahnhofs Wolfurt kommt da entscheidende Bedeutung zu. Doch auch eine Entbürokratisierung wäre ein Gebot der Stunde. Österreich ist laut Geschäftsführer Blum schlichtweg „der Weltmeister im Erfinden neuer Hürden“. Österreich, sagt Blum, „hat eine sehr große Bürokratie, und man hat das Gefühl, dass diese immer weiter wächst – statt dass ein ehrlicher Abbau der bürokratischen Hürden betrieben würde.“ Direktor Steurer sagt: „Jede bürokratische Zusatzhürde im Land verringert die Chancen. Wenn wir Sachen viel enger, komplizierter und restriktiver als in anderen Ländern regeln, ist das ein unmittelbares Hindernis, erfolgreich zu sein.“ Und das ist, bei der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung des Exports, keine Alternative.  Was kann die Politik in Sachen Export tun? Die „instinktive Antwort“ von Gerhard Schwarz: „Sie kann nichts machen, sie muss nichts machen und sie soll nichts machen. Export ist eine Sache der Unternehmen. Die große Politik soll sich nicht um die Förderung des Exports, sondern um die Förderung des Standorts und um günstige Rahmenbedingungen kümmern. Wenn die Steuern tief, die Arbeitsmärkte flexibel und die Regulierungen maßvoll sind, sind Unternehmen international wettbewerbsfähig und im Export erfolgreich.“ 

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