Peter Bussjäger

Peter Bussjäger (*4. Mai 1963 in Bludenz) ist Verfassungs- und Verwaltungsjurist. Bußjäger war zehn Jahre Direktor des Vorarlberger Landtags. Der Bludenzer ist Professor an der Universität Innsbruck, Direktor des Instituts für Föderalismus und Forschungsbeauftragter des Liechtenstein-Instituts sowie Mitglied des Liechtensteinischen Staatsgerichtshofs. 

(Foto: © Heinz Stanger)

Pest oder Cholera

Juni 2016

Der Vorarlberger Landtag hat den ersten Untersuchungsausschuss seiner Geschichte eingesetzt.

In der Vergangenheit war es der Landtagsmehrheit einige Male gelungen, auch gegen öffentlichen Druck die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verhindern. Zuletzt wäre der traurige Fall „Cain“, in dem es um die Abklärung der Verantwortung der Jugendwohlfahrtsbehörden des Landes am Tod eines kleinen Jungen gegangen wäre, der vom Lebensgefährten seiner Mutter zu Tode geprügelt worden war, ein möglicher Anlass für einen Untersuchungsausschuss gewesen. Nachträglich betrachtet war es jedoch ein Vorteil, dass sich die Landtagsmehrheit damals einem Untersuchungsausschuss widersetzte und damit verhinderte, dass die Lebensverhältnisse einer Familie dem voyeuristischen Blick eines parteipolitisch zusammengesetzten Gremiums exponiert worden wären. Anstelle eines Untersuchungsausschusses machte schließlich eine Expertenkommission eine Reihe von wichtigen Empfehlungen, die auch umgesetzt wurden.

In der Zwischenzeit ist das Recht, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, auch in Vorarlberg als Minderheitenrecht ausgestaltet worden, wie dies in den meisten Parlamenten des deutschsprachigen Raums mittlerweile Standard ist. Jede einzelne Fraktion mit mindestens drei Mitgliedern verfügt über ein solches Antragsrecht.
Damit konnte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch in Vorarlberg der erste Untersuchungsausschuss eingesetzt würde. Mit dem Häusle-Abfallskandal und der Erwähnung der Vorarlberger Hypo Landesbank in den „Panama Papers“ gab es gleich zwei günstige Anlässe. Dass eine Bank im überwiegenden Landeseigentum ein interessanteres Thema darstellen würde als ein Müllhaufen, war von vornherein klar.

Ein Untersuchungsausschuss wird in der Parlamentswissenschaft als „schärfste Waffe“ des Parlaments bezeichnet. Das Gremium ist zwar aus Gründen der Gewaltenteilung kein Gericht und kann daher auch keine Urteile fällen. Ein Untersuchungsausschuss agiert aber ähnlich einem Gericht und kann beispielsweise Zeugen unter Wahrheitspflicht einvernehmen oder Sachverständigengutachten einholen. Damit darf sich jedes einzelne Mitglied des Ausschusses als Richter und Staatsanwalt gleichzeitig fühlen und kann diese Position gegenüber Personen, die sich sonst auf ihre Verschwiegenheitspflichten berufen dürfen, auch auskosten.

Allerdings sollte man nicht glauben, dass der Untersuchungsausschuss die Winkelzüge russischer Oligarchen aufdecken kann. Er wird nämlich weniger zu sehen bekommen, als sich manche wünschen. Gegenstand seiner Prüfungen ist nämlich, wie es in der Landesverfassung lautet, die „Verwaltung des Landes“. Die Eröffnung eines Kontos bei der Hypobank hat nichts mit der Verwaltung des Landes zu tun, mag die Bank auch im überwiegenden Eigentum des Landes stehen.

Dass sich ein Untersuchungsausschuss auf die Verwaltung des Landes beschränken muss, hat nichts mit Geheimniskrämerei zu tun, sondern nur damit, dass sich die Kontrollrechte eines Parlaments verfassungsgemäss auf das Handeln der Regierung beziehen. Außerdem gilt der Grundsatz, dass die Regierung vom Parlament nur für solche Vorkommnisse verantwortlich gemacht werden kann, die sie auch beeinflussen konnte. Auf die Geschäftsführung einer Bank darf die Landesregierung schon von Gesetzes wegen keinen rechtlichen Einfluss ausüben.

Der Untersuchungsausschuss des Landtags kann daher von vornherein auch nur das Verhalten der Mitglieder der Landesregierung überprüfen, beispielsweise welche Informationen sie über die Geschäftsstrategie der Bank hatten. Dass dies zu wenig interessantes Material für einen Untersuchungsausschuss ist und die kritischen Abgeordneten damit nicht zufrieden sein werden, liegt auf der Hand.

Der Wortlaut des Landtagsbeschlusses über den Gegenstand des Untersuchungsausschusses geht in seinen 13 Fragen allerdings weit über seine rechtlich zulässige Prüfungsbefugnis hinaus: Da soll beispielsweise untersucht werden, ob die Bank geschäftliche Beziehungen zu anderen Banken hat, die Offshore-Geschäfte betreiben. Ausserdem soll auch das Verhalten der Finanzmarktaufsicht des Bundes untersucht werden. Als Feigenblatt dient die präambelartige Formulierung, dass der Vorarlberger Landtag einen Untersuchungsausschuss einsetzt, der die Verwaltung des Landes im Zusammenhang mit den Offshore-Geschäften der Bank untersucht. Wenn der Landtag diese Klausel ernst nimmt, dann braucht er die meisten der 13 Fragen nicht einmal zu diskutieren und er macht sich lächerlich. Nimmt er sie nicht ernst, dann handelt er bewusst verfassungswidrig. Pest oder Cholera sozusagen.

Man kann gespannt sein, wie es dem Verfahrensanwalt, dessen Aufgabe es sein wird, den Ausschuss zu beraten und dessen rechtliche Grenzen und Möglichkeiten aufzuzeigen, gelingen wird, den Untersuchungsausschuss in Bahnen zu lenken, in welchen er wenigstens den geringstmöglichen Schaden für die Bank und das Land Vorarlberg anrichtet.

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