Sabine Barbisch

Vom letzten Moment

April 2024

Alexander Burtscher führt in Wien ein Bestattungsunternehmen. Mit „Benu“ pflegen Burtscher und sein Team einen transparenten Umgang mit dem Tod und mit Bestattungen. Ein Gespräch mit einem Quereinsteiger in einer traditionellen Branche. 

Die Bestattungsbranche ist eines der ältesten Gewerbe, Bestattungsinstitute werden meist von Generation zu Generation weitergegeben, oder in Fällen fehlender familieninterner Nachfolge mitunter von langjährigen Mitarbeitenden übernommen. Der gebürtige Feldkircher Alexander Burtscher, sein Wiener Compagnon Stefan Atz gemeinsam mit den weiteren Benu-Mitgründern sind einige der wenigen Quereinsteiger in der Branche: Vor etwa fünf Jahren haben sie das Bestattungsunternehmen „Benu“ in Wien gegründet, der Name geht auf den altägyptischen Totengott zurück. Dabei kommt Burtscher aus einem anderen Bereich: Der 39-Jährige hat in St. Gallen studiert, sein Interesse galt der Politikwissenschaft und dem Management im öffentlichen Sektor. Er engagierte sich an der dortigen Uni und bei der Hochschülerschaft, war Geschäftsführer der HSG-Stiftung und studierte in London und Paris „Public Management“. Vor zehn Jahren zogen er und seine Frau nach Wien, der Feldkircher arbeitete zunächst bei einem internationalen Consulting-Unternehmen mit Schwerpunkt auf dem öffentlichen Sektor. „In diesem Zuge haben wir viele Organisationen beraten, die bei meiner aktuellen Tätigkeit in der Bestattungsbranche eine Rolle spielen, Krankenhäuser, Pflegeheime, die Kirche, die Caritas und andere.“ Mit der Zeit entstand die Idee für ein eigenes Bestattungsunternehmen mit modernem Auftreten und Service. Durch persönliche Anlassfälle wurde dieser Plan konkreter, denn die „Benu“-Gründer haben bei Trauerfällen ähnliche Erfahrungen gemacht: „Ein Trauerfall ist eine schwierige und mitunter stressige Zeit für die Betroffenen. Uns fehlte die Transparenz; das wollten wir mit unserem eigenen Unternehmen anders machen – auch wenn die Menschen nicht explizit danach fragen“, erklären die „Benu“-Geschäftsführer.

Kundenverhalten verändert Branche
Die Jungunternehmer starteten mit einer Informationsseite, ohne aber selbst zu bestatten. Die Zugriffe stiegen rasch an, bald erreichten sie auch konkrete Anfragen für Bestattungen, deshalb arbeiteten sie zunächst mit Partnern aus der Bestattungsbranche zusammen. Schließlich entwickelten die „Benu“-Geschäftsführer die Informations- und Vermittlungsplattform zu einem modernen Bestattungsunternehmen weiter. 
„Bestattung ist eine Dienstleistung, die man braucht – und die aus unserer Sicht empathisch, einfühlsam und transparent sein muss“, ist der Feldkircher überzeugt. Aber auch ein guter Onlineauftritt ist wichtig, deshalb informieren sie 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche, auch über Messenger-Dienste. „Wir Menschen sind es mittlerweile gewohnt, uns digital über sensible und heikle Themen zu informieren, ein Großteil der Menschen erkundigt sich zuerst im Internet – natürlich auch bei einem Todesfall. Deshalb war auch die Gründung kein Zufall: Das Kundenverhalten ändert sich und damit auch die Branche“, erklärt Alexander Burtscher. 
Der „Benu“-Geschäftsführer weiß, dass die Kosten für eine Bestattung ein großes Thema sind, über das aber nicht gerne gesprochen wird. „Es gibt mehr Google-Anfragen zu Bestattungen als zu Gebrauchtwagen, aber nur sehr wenig Informationen und Angebote zu Trauerfällen! Als wir „Benu“ gegründet haben, hatte nur die Hälfte der etwa 500 Bestatter eine Website und nur fünf Prozent der Bestatter boten online eine Preisinfo an.“ Lange habe es als pietätlos gegolten, zum Beispiel den Preis eines Sarges zu besprechen, „aber“, sagt der Experte, „das Gefühl danach, wenn der Preis so hoch ist, ist noch schlechter“. Aber nicht nur das Informationsverhalten, auch die Kunden und Kundinnen selbst verändern sich: „Die Menschen sind generell selbstbestimmter und informieren sich aktiv“. 
Einen neuen Ansatz verfolgen die „Benu“-Geschäftsführer auch bei ihren Mitarbeitenden: Für Betreuung und Begleitung der Trauernden setzen sie auf Mitarbeitende aus Serviceberufen, etwa der Hotellerie. Warum das? „Sie sind gut geschult, können auf Menschen zugehen und gut mit ihnen umgehen. Es ist eine besondere Art der Kundenbetreuung am Friedhof für die Trauernden da zu sein. Rezeptionisten zum Beispiel haben ein feines Gespür dafür, was gebraucht wird.“

Selbstbestimmung und Naturbestattungen
Ein Thema liegt Alexander Burtscher nach seiner nunmehr fünfjährigen Tätigkeit in der Bestattungsbranche am Herzen: „Ein Trauerfall ist eine schwierige Entscheidungssituation, da ist Vorsorge hilfreich, das sage ich auch ohne geschäftliches Interesse. Es ist zu klären, was die verstorbene Person gewollt hätte und auch, wer bezahlt. Wenn sich die Hinterbliebenen einig sind, ist es kein Problem – aber, wenn nur eine Person sagt, ‚die Verstorbene hätte es anders gewollt‘, dann geht der Streit los.“ Dem kann man mit einer Bestattungsplanung vorgreifen; so kann festgehalten werden, wie man den Abschied gerne hätte, etwa durch einen Brief oder eine vorbereitete Rede, Musiklisten mit den eigenen Lieblingsliedern bis hin zu detaillierten Abläufen. Was die meisten Menschen aber eint, ist das Verdrängen der eigenen Vergänglichkeit. Alexander Burtscher hingegen sagt: „Niemand ist je einen Tag früher gestorben, wenn man über den (eigenen) Sterbefall gesprochen oder eine Vorsorge gemacht hat. Dafür hat man seine Familie entlastet und das gute Gefühl, für den Fall der Fälle inhaltlich und finanziell vorgesorgt zu haben.“
Dazu gehört auch die Bestattungsart. Von der Erd- zur Feuerbestattung, sieht der „Benu“-Geschäftsführer aktuell Naturbestattungen, etwa im Wald oder auf der Donau, als größten „Trend“ in der Bestattungsbranche. In Vorarlberg sind solche seit Anfang April 2024 im Klosterwald in Bludesch möglich. „Aus meiner Sicht ist es ein Thema der Zukunft, aktuell verzeichnen wir bis zu 20 Prozent Naturbestattungen, im Bereich der Bestattungsvorsorge wählen aber noch mehr Menschen diese Bestattungsart für sich selbst aus. Unserer Einschätzung nach werden daher künftig fast die Hälfte der Menschen in der Natur bestattet werden“, prognostiziert Burtscher: „Es ist ruhig und friedlich, deshalb sagen viele, dass sie dort ihre letzte Ruhe haben wollen.“

2018 wurde „Benu“ von Alexander Burtscher, Gerd Clement, Thomas Klein, Daniel Petri und Stefan Atz gegründet. Heute betreiben sie sieben Standorte in Wien, in Linz und Wels jeweils eine Filiale und bald folgt eine in Graz.
„Benu“ beschäftigt 50 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, betreibt zehn Fahrzeuge und organisiert 1500 Bestattungsfälle pro Jahr, Tendenz steigend. Der gebürtige Feldkircher Alexander Burtscher (39) lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Wien.

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