Gebhard Barbisch

Alpinausbildner, ehemaliger Landesleiter der Vorarlberger Bergrettung

 

Eigenverantwortung und Vertrauen

November 2015

Eigenverantwortung und Vertrauen  sind die Basis für ein sicheres Berg­erlebnis. Das Vertrauen in den Seilpartner ist unverzichtbar. Die Beurteilung der Lawinengefahr erfordert Entscheidungen, und diese liegen – inklusive aller Konsequenzen – in der eigenen Verantwortung.

Aber wie steht es um diese Fähigkeiten? Wer übernimmt die Verantwortung mit allen Konsequenzen? Wer vertraut auf die Fähigkeiten des anderen? Die Frage nach einem Schuldigen bei einem Bergunfall ist schon selbstverständlich. Der Hinweis auf Eigenverantwortung löst Kopfschütteln aus. Es muss doch jemand Verantwortung übernehmen für eine Lawine, einen Steinschlag, einen Sturz …
Aber warum dieser Ruf nach einem Schuldigen für das Unglück, das jemandem passiert ist? Die Verantwortung liegt letztendlich immer in den Händen derjenigen, die diese Entscheidung getroffen haben. Diese entscheiden für sich selbst, was sie tun und wie sie es tun.

In Watte gepackt werden unsere Kinder durch Kindergarten und Schule geführt, damit nur ja nichts passiert. Bei Unfällen wird gleich einmal die Verletzung der Aufsichtspflicht aufgezeigt. Dann werden die Kinder volljährig und in die Welt entlassen: Seid vorsichtig, eigenverantwortlich und denkt an die Konsequenzen eures Tuns. Wie soll das gehen, wenn sie das eigentlich nie gelernt haben?
Sie haben gelernt, dass es immer Schuldige gibt. Die nehmen ihnen Verantwortung ab. Eigentlich das Gegenteil von dem, was man von selbstständigen, eigenverantwortlichen Menschen erwarten sollte.
Der Alpinist Paul Preuss sagte: „Das Können ist des Dürfens Maß!“ Es ist die eigene Verantwortung, das Können richtig zu beurteilen, und es braucht das Vertrauen darauf, dass die Partner es ebenfalls tun.
Und das gilt überall, nicht nur in den Bergen.