Birgitt Breinbauer

Kanzlei Rümmele Breinbauer

Eine Verteidigung der Unschuldsvermutung

Mai 2015

Österreichs Justizsystem, zu dem neben Richtern und Staatsanwälten auch Rechtsanwälte gehören, hat einen ausgezeichneten Ruf. Seit Jahren nimmt es in einem Ranking des Europarats eine Spitzenposition ein. Dennoch bringt die öffentliche Meinung immer wieder ihre Unzufriedenheit mit der Justiz zum Ausdruck. Werden Strafverfahren gegen Prominente eingestellt, wird schnell der Verdacht geäußert, dass sie es sich „richten können“. Werden Prominente verurteilt, entsteht ebenso schnell eine Diskussion darüber, ob es einen „Prominentenmalus“ gibt und die Urteile deshalb gegenüber Prominenten härter ausfallen als gegenüber der Durchschnittsbevölkerung.

Es ist eine wichtige Aufgabe von Medien, über Missstände der Gesellschaft und das Fehlverhalten Einzelner zu berichten. Die juristische Aufarbeitung derartiger Verhaltensweisen, die Würdigung der Beweise und die rechtliche Beurteilung sollten aber ohne Zweifel den Richtern vorbehalten bleiben. Zurückhaltung bei öffentlicher Vorverurteilung, die in manchen Facetten an einen modernen Pranger erinnert, ist angebracht. Die soziale Ächtung, die Personen oft trifft, ohne dass sie von Richtern verurteilt wurden, wirkt schwer und kann Leben zerstören. Wir sollten uns davor hüten, die Justiz ihre Arbeit machen und die Unschuldsvermutung nicht zur Farce verkommen lassen.