Stefan Allgäuer

Dr. Stefan Allgäuer (* 14. Juli 1953), Geschäftsführer des ifs Vorarlberg – Institut für Sozialdienste 

(Foto: © IFS)

Vorarlberg neu denken

September 2015

Ich bin in der konservativen Welt Vorarlbergs aufgewachsen. Als Jugendlicher erlebte ich den Aufbruch (die 68er-Jahre), dann lernte ich Grenzen kennen – erst jene des Wachstums (erste Wirtschaftskrise), später jene der alternativen Konzepte (der Zusammenbruch des Kommunismus). Mein naives Weltbild – ich gebe es zu – war Folgendes: Alle Menschen wollen Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung und Gleichstellung – und wir sind auf einem guten Weg dahin. Weit gefehlt, wie ich heute weiß.

Meine zweite (falsche) Annahme war, dass Politik und Staat das sicherstellen können, was wir Menschen brauchen und uns wünschen. Viele Jahre hat die Politik uns das glauben gemacht. Wir haben dabei – vermeintlich – gelernt: Das, worauf es im Leben ankommt, ist entweder wie selbstverständlich vorhanden oder kann und soll die Politik liefern. Gibt es ein besseres Rezept zum Scheitern – zu hohe und falsche Erwartungen plus passive Bewahrungshaltung? „Dank“ dieser falschen Rezepte stehen wir heute vor unlösbaren Problemen: Flüchtlinge, Euro-Krise, Ukraine-Krieg, Radikalisierung, Bettler, Klimawandel und viele mehr. Wir ahnen, dass es so nicht weitergehen kann.

Gibt es eine Alternative? Ich glaube, ja: Wir, jeder Einzelne, sind wieder gefragt. Die Welt ist ein Ort, an dem jeder sein Leben meistern und seinen Beitrag leisten muss. Und wir hätten die Chance, dies zu tun, gerade weil wir – überwiegend – gut abgesichert sind. Politik lebt dort, wo es einen Wettbewerb zwischen Ideen und Interessen gibt. Wo sind heute die Ideen der Vorarlberger? Die Lösung unlösbarer Probleme erfolgt nicht am Stammtisch oder im Boulevard, sondern dort, wo Menschen erste Schritte machen. Wie wäre es? Vorarlberg nicht als das Land, in dem wir alles ein bisschen besser machen als andere, sondern Vorarlberg als Land, in dem wir es radikal anders machen. Vorarlberg neu denken. Sie sind eingeladen.