Sabine Krusch

Beziehungslos

April 2016

Warum wir Geld lernen müssen und wie Wertschöpfung mit Wertschätzung zusammenhängt.

Nein, früher war ganz sicher nicht alles besser. Aber anders. Dazu gehörte das persönliche Beziehungsgeflecht im Privaten wie auch im Beruflichen und in der Gesellschaft. Und heute? Die Familie als Nabel des eigenen Kosmos hat ausgedient, den Arbeitsplatz über ein ganzes Berufsleben hinweg gibt es nicht mehr, und die Mitgliedschaft im Sportverein hat auch viel von ihrem früheren Glanz verloren. Wohlstand musste früher erst geschaffen werden, die heutige und die nachfolgenden Generationen leben mitten im Wohlstand, haben aber das Wissen gar nicht mehr, wie man „es zu etwas bringt“. Und damit sind wir schon beim Geld. Und auch da wird die Beziehung immer abstrakter, das wird nicht erst seit der Diskussion um die Abschaffung des Bargelds deutlich. Dabei hängt tatsächlich jede Entscheidung, die wir im Leben treffen, irgendwie auch mit Geld zusammen. Das klingt im ersten Moment überzogen, bei ehrlichem Nachdenken wird daraus schnell erschreckende Gewissheit.

Jede Entscheidung hängt mit Geld zusammen

Wie passt es da, dass wir zwar über eines der weltweit besten Ausbildungssysteme verfügen, das Thema „Geldwissen“ im Rahmen von Schule und Ausbildung aber überhaupt nicht vorkommt? Als Orientierungspunkte stehen den jungen Erwachsenen bestenfalls Eltern, Freunde und Verwandte zur Verfügung, die sich aber ihrerseits auch schon mehr vorsichtig tastend als mit solidem Wissen gestärkt in Finanzdingen bewegt haben. Die Folgen nicht vorhandener Finanzkompetenz sind allenthalben zu sehen: Für den Einzelnen bedeutet das allzu oft ein Leben im Hamsterrad und für die Gesellschaft hohe Kosten über die Sozialkassen. Noch dramatischer sind die Folgen aber für die und in den Unternehmen. Ganz abgesehen davon, dass Mitarbeiter mit Geldproblemen hohe direkte Kosten verursachen, gleichzeitig indirekt das Betriebsklima drücken und die Fluktuationsrate steigern, stellt sich hier vor allem die Frage: Wie können Mitarbeiter, die den verantwortlichen Umgang mit Geld selbst nicht gelernt haben, mit dem Betriebsvermögen und den Ressourcen im Unternehmen verantwortungsvoll umgehen?

Die Grundlagen von Arbeit und Wertschöpfung ändern sich

Gleichzeitig ändern sich auch die Grundlagen von Arbeit und Wertschöpfung grundlegend. Nie in der Geschichte der Menschheit haben Innovationsprozesse so schnell und so dramatisch unseren Alltag revolutioniert, noch gar nicht mal so alte Industrien verschwinden und neue entstehen lassen. Gerade in Vorarlberg waren und sind wir in besonderer Weise Zeugen und Betroffene dieser historischen Entwicklungen. Aktuelle Themen wie „autonomes Fahren“ und der Sieg von AlphaGo über den Menschen sind nur die sichtbarsten Zeichen dieser sich immer weiter beschleunigenden Entwicklung. Im gleichen Umfang verändert sich auch das Thema Arbeit: Unternehmen brauchen zunehmend selbstbewusst denkende, unabhängig lebende und frei agierende Mitarbeiter, um den Markterfordernissen flexibel entsprechen und Innovations- und Reorganisationsprozesse schnell und geschmeidig vollziehen zu können. Anders gesagt: Einfache Jobs werden weiter verschwinden, die komplexeren immer anspruchsvoller im Hinblick auf fachliche und menschliche Kompetenz. Um diese Kompetenzen entwickeln zu können, braucht es ein hohes Maß an Eigenverantwortung und das Wissen, wie Wertschöpfung mit Wertschätzung zusammen hängt. Womit wir wieder beim Geld sind: Alles hängt am Geld, aber keiner hat’s gelernt. Dazu ist aber nicht nur die Vermittlung von rationalem Geldwissen wichtig, sondern insbesondere die Entwicklung der emotionalen Finanzkompetenz des Einzelnen: die Überwindung von Glaubenssätzen wie „über Geld spricht man nicht“ oder „Geld regiert die Welt“, die kritische Neubetrachtung des eigenen Umfelds und wie Geldumgang dort gelebt und vorgelebt wurde. Wirkliches Geldwissen hat deshalb im ersten Schritt nichts mit Finanzprodukten zu tun, sondern mit Eigenverantwortung, Selbstwert und Selbstbestimmung. Ini­tiativen für Jugendliche rund um das Thema „Schuldenprävention“ sind zwar grundsätzlich begrüßenswert und ein wichtiger Baustein, greifen insgesamt aber deutlich zu kurz. Denn gerade das schöpferische Potenzial von Geld wird in diesem Zusammenhang vernachlässigt: Geld und Vermögen als Schlüssel zu persönlicher Unabhängigkeit, als Chance, eigene langfristige Lebensentwürfe zu verwirklichen. Denn gerade am Anfang des Berufslebens, zu Beginn der Lehrlingsausbildung, ist es wichtig, die Weichen richtig zu stellen. Deshalb legen wir und unsere Kunden besonderen Wert auf die Vermittlung von Geldwissen an die jungen Leute, bieten aber natürlich auch Workshop-Programme an für erfahrene Mitarbeiter und speziell für Frauen auf dem Weg in Führungspositionen in den Betrieben.

Zeit ist Geld – Geld ist Zeit

„Zeit ist Geld“, dieses alte Sprichwort ist tatsächlich viel mehr, nämlich eine Gleichung: „Geld ist Zeit“ stimmt umgekehrt genauso. Und gerade für junge Menschen am Anfang des Berufslebens ist es wichtig, das zu verinnerlichen. Mit Geld kann ich mir auch Zeit für eine Fortbildung „kaufen“, die Zeit für eine spätere Auszeit nehmen, einen geplanten Ausflug in ein ganz anderes berufliches – vielleicht sogar unternehmerisches – Umfeld machen. Das bedeutet gleichzeitig, sich auch in sogenannter „abhängiger“ Beschäftigung – also als Arbeitnehmer – größtmögliche Unabhängigkeit aufbauen und langfristig sichern zu können. Und genau das ist es, was erfolgreiche Unternehmen heute und in Zukunft brauchen: unabhängige, eigenverantwortliche Profis, die nicht durch finanzielle Abhängigkeiten ans Unternehmen gekettet sind, sondern die sich aus Interesse an der Sache, weil sie dieselben Werte und Ziele teilen, in einem Unternehmen für das Unternehmen engagieren.

Die aktuelle Generation der „neuen“ Beschäftigten ist in den Unternehmen längst angekommen. Aber manchmal hat man fast den Eindruck, dass beide Seiten noch nicht so ganz wissen, was sie voneinander halten und was sie miteinander anfangen sollen. Viele Junge sehen und leben das Thema „Werte“ bereits ganz neu und die Unternehmen wissen dieses neue Bewusstsein noch nicht richtig zu nutzen – früher war doch alles nur Leistung, oder? Beide Seiten haben heute die Chance, eine ganz neue Beziehung einzugehen. Auf Augenhöhe.

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