David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Was kostet uns die Klimapolitik?

September 2023

Geht es um die Erderwärmung, greifen manche zu dramatischen Wortschöpfungen wie „Klima-krise“, „Klimanotstand“, „Klimakatastrophe“ oder gar „Klimaapokalypse“. Doch die Offenbarung für die Klimapolitik wird früher als der Weltuntergang kommen. Denn nicht nur der Klimawandel, sondern auch die Klimapolitik birgt ein Gefährdungspotenzial für die menschliche Wohlfahrt. Je nach angestrebtem Ziel zur Begrenzung der Erd-erwärmung könnten die Wohlfahrtsverluste wegen der Klimapolitik deutlich höher ausfallen als jene der Erderwärmung.

Kosten des Klimawandels
Der globale Klimawandel bringt Kosten mit sich. Das Ausmaß der Erderwärmung ist für die Höhe der Kosten maßgeblich. Gemäß dem aktuellen Bericht des Weltklimarates (IPCC) war die durchschnittliche Temperatur zwischen 2011 und 2020 um 1,09 °Celsius höher als im Zeitraum von 1850 bis 1900. Dabei fiel der Anstieg über Land mit 1,59 °Celsius noch höher aus als über den Ozeanen.
Ohne Anpassungsmaßnahmen äußern sich die zu erwartenden Kosten der Erderwärmung unter anderem durch geringere Ernten, durch Schäden häufiger auftretender Extremwetter oder durch gesundheitliche Konsequenzen von Hitzewellen. In manchen Bereichen dürfte Anpassung an die Erderwärmung gut möglich sein. So schützen beispielsweise Klimaanlagen vor Hitzewellen. Anpassungen in der Landwirtschaft ohne den Einsatz von Gentechnik dürfte hingegen schwerer fallen. Den Kosten der Erderwärmung stehen mögliche Nutzen in einigen Ländern gegenüber, wie zum Beispiel eine längere Vegetationsperiode, einfacherer Seehandel dank eisfreier Routen oder eine geringere Wahrscheinlichkeit von Kältewellen, was zu niedrigeren Heizkosten und weniger Kältetoten beitragen könnte.
Derzeit spricht vieles dafür, dass die Kosten der Erderwärmung selbst mit Anpassung höher ausfallen werden als die Nutzen. Doch lässt sich die Erderwärmung nur reduzieren, wenn sich die Emissionen von Treibhausgasen global reduzieren lassen. Die Begrenzung der Erderwärmung liegt damit nicht in den Händen einzelner Bürger oder einzelner Länder, sondern erfordert eine koordinierte, weltweite Anstrengung. Trotz dramatischen Wortschöpfungen und Klimapolitik-Versprechen in vielen Klimagroßkonferenzen sowie Verträgen steigen die globalen CO2-Emissionen weiter an.

Kosten der Klimapolitik
Eine globale Reduktion von CO2-Emissionen brächte geringere Kosten der Erderwärmung. Doch die Klimapolitik selbst ist nicht gratis. Ihre Kosten äußern sich unter anderem durch landschaftliche Eingriffe zur „grünen“ Energieproduktion, durch Einschränkungen bei der Auswahl von Heizformen und vor allem durch Wohlfahrtsverluste aufgrund geringerer Wirtschaftsleistung, niedrigeren Einkommen, geringerem Konsum und niedrigeren Mitteln für private Investitionen. Eine verringerte Wirtschaftsleistung bedeutet dabei nicht nur, dass die Bürger auf Dinge verzichten müssen, die sie persönlich schätzen. Geringere Wirtschaftsleistung bedeutet im Regelfall auch geringere Staatseinnahmen. Fehlende Wirtschaftsleistung lässt sich nämlich nicht besteuern. Geringere Steuereinnahmen bedeuten weniger Sozialleistungen, niedrigere Pensionszahlungen, schlechtere Gesundheitsversorgung und andere negative Konsequenzen. Diese Kosten der Klimapolitik werden von den Bürgern jener Länder getragen, die sie verfolgen, unabhängig davon, was anderswo in der Welt passiert. Die Höhe der Kosten der Klimapolitik für die Bürger hängt stark davon ab, wie ehrgeizig das angestrebte globale Klimaziel sein soll.

Die Offenbarung der Kosten des 1,5-Grad-Ziels
Ein prominentes Klimaziel ist das 1,5-Grad-Ziel. Dabei soll die Erderwärmung im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 auf 1,5 °Celsius begrenzt werden. Das 1,5-Grad-Ziel dürfte höchstwahrscheinlich geringere Kosten des Klimawandels zur Folge haben, als wenn die Temperaturen darüber hinausstiegen. Doch das 1,5-Grad-Ziel würde einen noch nie da gewesenen Kraftakt der Menschheit erfordern.
Gemäß aktuellen Modellierungen des Wirtschaftswissenschaftlers und Nobelpreisträgers William D. Nordhaus von der Yale University sowie der Professorin Lint Barrage von der ETH Zürich würden CO2-Emissionen bei strikter Verfolgung des 1,5-Grad-Ziels mit etwa 3500 Euro pro Tonne CO2 bewertet, die letztendlich von den Bürgern als Kosten zu tragen wären. Für den durchschnittlichen Österreicher würde dies – ohne Berücksichtigung des CO2 importierter Produkte – jährliche Wohlfahrtsverluste im Ausmaß von rund 25.000 Euro bedeuten, für eine vierköpfige Familie rund 100.000 Euro. Diese Kosten liegen ein Vielfaches über ernstzunehmenden Modellierungen der Kosten der Erderwärmung. Eine Klimapolitik, die solche Wohlfahrtsverluste verursacht, würde einen Notstand erzeugen und ähnelt einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Katastrophe, vergleichbar etwa mit einem Bürgerkrieg. Insofern ist das 1,5-Grad-Ziel auf Basis dieser Modellierungen schädlich für die menschliche Wohlfahrt. 
Deshalb empfehle ich seit Jahren, in Anlehnung an William D. Nordhaus und das Climate Leadership Council, das von über 3600 US-Wirtschaftswissenschaftlern und 28 Nobelpreisträgern unterstützt wird, einen die menschliche Wohlfahrt maximierenden Ansatz zu verfolgen. Dies ginge, wenn jede Tonne CO2 mit Kosten von aktuell 50 bis 55 Euro bewertet würde, also einem Achtzigstel des Wertes des 1,5-Grad-Ziels. Diese Kosten müssen den Verursachern von CO2 angelastet werden. 50 bis 55 Euro pro Tonne bei steigender Tendenz über die nächsten Jahrzehnte entsprechen etwa einem Ziel von 2,0 °Celsius Erderwärmung in den nächsten 40 Jahren und 2,8 °Celsius im Jahr 2100. Die Kosten für CO2-Emissionen in diesem Bereich wären leicht tragbar und sind im Vergleich zur bestehenden Steuerlast und den derzeitigen teuren, ineffizienten Regulierungen gering. Selbstverständlich ist auch dieser wohlfahrtmaximierende Ansatz nur dann sinnvoll, wenn er global koordiniert erfolgt und ihn viele Länder der Welt umsetzen. Doch dieses „kleine“ Koordinationsproblem hat jeder Versuch, die Erderwärmung über eine Reduktion der CO2-Emissionen zu begrenzen – nur wollen viele Propheten der „Klimaapokalypse“ das nicht wahrhaben.

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