Christoph Jenny

Direktor der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: © Dietmar Walser)

Wenn die Finanzierung zum Nachbarn wandert

August 2023

Energiekrise, Inflation und konjunkturelle Abkühlung haben in Kombination mit verschärften Eigenmittelvorschriften in Form der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung, kurz KIM-Verordnung, dazu geführt, dass sich das Wachstum der Wohnkredite am Gesamtmarkt zuletzt verlangsamte. Die Signale aus dem Gewerbe und Handwerk sind aktuell alarmierend. Die Baubranche in Vorarlberg warnt aktuell vor einem Stillstand, die Aufträge im Bausektor brechen ein. Zurecht fordern Bauwirtschaft sowie das Gewerbe und Handwerk daher die Aufhebung der sogenannten „KIM-Verordnung“, die den Banken restriktive Hürden für die Kreditvergabe auferlegt und somit Baufinanzierungen verhindert. Kern des Problems: Laut KIM-Verordnung darf eine Kreditrate 40 Prozent des Einkommens nicht übersteigen.
Das Instrument war in Zeiten von Nullzinsen von der Finanzmarktaufsicht (FMA) dazu gedacht, eine befürchtete Überhitzung des Immobilienmarktes zu verhindern – davon kann jetzt keine Rede mehr sein. Die Verordnung ist derzeit mehr als unnötig. Es ist nicht die Aufgabe der Finanzmarktaufsicht, Gesellschaftspolitik zu machen. Die Aufsicht hat andere Möglichkeiten, wenn sie der Meinung ist, dass ein Kreditinstitut zu wenig sorgsam mit der Kreditvergabe umgeht. Durch die Verordnung ist die Finanzierung eines Eigenheims gerade für junge Menschen im Ländle derzeit nicht mehr finanzierbar. Das hat auch die Konkurrenz über der Grenze erkannt und bietet massiv Finanzierungsmöglichkeiten ohne KIM an. Die KIM-Verordnung gilt nur für Banken mit Sitz, Zweigstelle oder Konzession in Österreich – nicht aber für Finanzinstitute aus anderen EU-Ländern wie Deutschland, die auf alternativen Wegen etwa in Vorarlberg ins Geschäft kommen möchten. Damit wird das Geld über die Grenze transferiert und dieses Geschäft geht unseren Banken verloren. Aufgrund der EU-Dienstleistungsrichtlinie dürfen deutsche Banken – wie auch vice versa – hierzulande Geschäfte machen. Sie müssen sich dabei naturgemäß an diverse Gesetze halten, wie etwa den Konsumentenschutz, nicht aber an die KIM-Verordnung. 
Dies sollte entschärft und entschlackt werden; das sehr strikte und komplexe Regime gilt es zu vereinfachen, über die strengen statischen Prozentgrenzen nachzudenken und den Sanierungsbereich komplett herauszunehmen. Und das schnellstmöglich. Die Banken jedenfalls haben ein umfassendes Paket zur Unterstützung vorgelegt. Jetzt muss die FMA nachlegen!

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.