Stefan Allgäuer

Dr. Stefan Allgäuer (* 14. Juli 1953), Geschäftsführer des ifs Vorarlberg – Institut für Sozialdienste 

(Foto: © IFS)

Vom sozialen Frieden

Februar 2015

In der öffentlichen Wahrnehmung steigen die Budgets für unser Sozialsystem ins Unermessliche. Doch ist das wirklich so? Ist unser Sozialsystem ein Fass ohne Boden? Oder sind diese Investitionen nicht doch richtig und sinnvoll, da Sozialleistungen Voraussetzungen dafür schaffen, dass moderne Volkswirtschaften überhaupt erst funktionieren?

Der Sozialstaat und unsere Sozialsysteme stehen immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Viel zu viel Geld werde in Sozialleistungen investiert, die Sozialausgaben seien viel zu hoch, der Steuerzahler müsse dafür immer noch mehr bezahlen. Der Ruf nach einer Begrenzung des Wachstums, nach vermehrter Steuerung und nach einem Umbau der Soziallandschaft wird laut.

Investitionen in Menschen

Was im Zuge der Diskussionen rund um die Kosten des Sozialbereichs oft vergessen wird, ist die Tatsache, dass Sozialleistungen Investitionen in die Menschen als wichtigste Ressource unseres Landes darstellen. Sozialer Friede und eine gerechte Verteilung von Lebenschancen gelten als Voraussetzungen für eine moderne, solidarische Gesellschaft. Zugleich sind wirtschaftliche Attraktivität und hohe Lebensqualität eng miteinander verknüpft. Und Lebensqualität wird zukünftig noch mehr ein zentraler Standortfaktor sein. Deshalb ist es richtig, dass sich auch die Akteure der Sozialpolitik und das Sozialsystem für die Sicherung und Erhaltung der Lebensqualitätsfaktoren einsetzen. Denn Wirtschaft und Sozia-les sind keine Gegensätze – sozialer Friede, Bildungschancen und solidarische Netzwerke bilden die Grundlage für eine attraktive Wirtschaftspolitik und umgekehrt.

Gefühlt steigen die Sozialausgaben so rasant, dass diese offensichtlich bald nicht mehr zu finanzieren sein werden. Doch provokant gesagt: Unsere Sozialausgaben waren schon immer unfinanzierbar. Was aber nicht außer Acht gelassen werden darf, ist die Tatsache, dass die Sozialquote in Österreich (das sind alle Gesundheits- und Sozialausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden im Verhältnis zum BIP) seit über 20 Jahren stabil ist. Im europäischen Vergleich liegt Österreich auf Rang acht. Diese Fakten weisen auf eine bisher vernünftige Entwicklung der Sozialwirtschaft hin, auf der wir mit gutem Gewissen und voller Zuversicht aufbauen können. Wenn Länder und vor allem die Gemeinden unter einer verstärkten Belastung durch Sozialkosten leiden, dann weist das – bei einer stabilen Sozialquote insgesamt – eher auf eine Aufgabenverschiebung zulasten kleiner Einheiten hin als auf eine maßlose Steigerung der Leistungen. Dies müsste auf der Ebene des Finanzausgleichs kompensiert werden.

Wirtschaftsfaktor Sozialbereich

Im Gegensatz zur verbreiteten Annahme, dass der Sozialbereich wirtschaftlich betrachtet irrelevant ist, stellt dieser einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar. Die Sozialwirtschaft gilt als Beschäftigungsmotor, finden doch etwa zehn Prozent aller unselbstständig Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich Arbeit. Eine im Sozialbereich investierte Million Euro schafft 17 Arbeitsplätze. Zudem ist die Sozialwirtschaft hochproduktiv und zählt mit 5,8 Prozent zu jenen fünf Branchen, die am meisten zur Bruttowertschöpfung beitragen.

Vorarlberg hat – bei einer guten Struktur und Ausgestaltung von sozialen Leistungen – im österreichweiten Vergleich keine überhöhten Sozialkosten. Die beachtlichen Steigerungen der So-zial-ausgaben sind demografisch bedingt und dadurch erklärbar, dass die heute aktuellen Themen und Anforderungen in der Sozialpolitik (Armut, Existenz-sicherung und Wohnen, Flüchtlings-betreuung und Integration, Inklusion, Kinderschutz, Familienhilfe usw.) verstärkt in der Verantwortung von Ländern und Gemeinden liegen.

In Anbetracht der aktuell zu lösenden Aufgaben und der Herausforderungen moderner Sozialpolitik ist der Weg einer präventiven, bürgernahen und subsidiären Sozialpolitik, wie er in Vorarlberg beschritten wurde und wird, der richtige. Der Vergleich macht sicher: Faktoren bzw. epidemiologische Daten über Lebenserwartung, Gesundheit und Lebensqualität wie auch Daten über die Anzahl an stationären Unterbringungen in der Kinder- und Jugendhilfe, über Anzahl der Pflegebetten etc. bestätigen die Wirksamkeit des „Vorarlberger Wegs“.

Land Vorarlberg, die Gemeinden und private Träger im Sozialbereich sorgen dafür, dass wir im Land – noch immer – ein höchst kostengünstiges, effizientes und leistungsfähiges Sozialsystem haben. Es gibt allen Grund, auch bei aktuellen und zukünftigen sozialen Herausforderungen auf die bewährte Aufgabenteilung zu setzen und die Ressourcen aller Systempartner zu nutzen. Weiteres Potenzial steckt in der stärkeren Zusammen-arbeit der Wirtschaft mit der Sozialwirtschaft. Die Wirtschaft eines Landes und deren Betriebe können – direkt und indirekt – sozial wirken. Sie tragen wesentlich zur Lebensqualität einer Region bei und können als „Social Entrepreneurs“ aktiv die Lebensbedingungen in einer Region mitgestalten.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.