Ulrike Delacher

Die gebürtige Tirolerin studierte Germanistik und Integrierte Kommunikation. Sie leitet die Unternehmenskommunikation bei der Vlbg. Krankenhaus-Betriebsgesellschaft.

(Foto: © Matthias Weissengruber)

Ein Mantel zum Schutz für den schweren Weg

Oktober 2016

Der Umgang mit schwerkranken und sterbenden Menschen ist für alle Beteiligten kein einfacher Weg – für die Betroffenen selbst, für ihre Angehörigen, aber auch für die Ärzte und Pflegepersonen, die die Sterbenden bis zuletzt betreuen. In Vorarlbergs Palliativstation am Landeskrankenhaus Hohenems werden Menschen, deren Lebenserwartung wegen einer nicht heilbaren und weit fortgeschrittenen Erkrankung begrenzt ist, behandelt und begleitet.

Palliativmedizin (vom lateinischen pallium – der Mantel) wird schon seit den Anfängen der Heilkunde eingesetzt. In der Palliativmedizin kann der Patient nicht mehr geheilt werden. Ärzte und Pfleger, Seelsorger und Therapeuten können die betroffenen Menschen im Sinne einer ganzheitlichen Versorgung in einen ‚Schutzmantel‘ hüllen, ihnen den Weg und die noch verbleibende Lebenszeit erleichtern“, erklärt Dr. Otto Gehmacher, leitender Oberarzt der Palliativstation am LKH Hohenems.

Seit 2003 gibt es die Einrichtung der Palliativstation in Vorarlberg. Dort werden Menschen mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden oder weit fortgeschrittenen Erkrankung behandelt und begleitet. Das interdisziplinäre Team der Station hilft den Patienten und auch den Angehörigen, wenn es um ihre körperlichen, psychischen, spirituellen und sozialen Probleme geht. Eines ist dem medizinischen Leiter wichtig zu erwähnen: „Etwa die Hälfte unserer Patienten können nach ihrem Aufenthalt in der Palliativstation wieder nach Hause entlassen werden. Sterbebegleitung ist also nur ein Aspekt unserer Arbeit. Häufiger gelingt es, durch gute Symptomkontrolle, vor allem durch Schmerztherapie, den Patienten so zu stabilisieren, dass eine Entlassung in das gewohnte häusliche Umfeld möglich ist.“

Was kann man für Palliativpatienten tun? Die Erkrankung schränkt ihre Lebensqualität ein, sie leiden an Schmerzen oder anderen Symptomen. Neben Atemnot, Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen sind es oft auch Probleme mit der Verdauung oder der Flüssigkeitszufuhr und Depressionen. Die Mitarbeiter der Palliativstation sind auf diese Situationen vorbereitet und ein gut eingespieltes Team: Wenn sie sich um die Patienten kümmern, liegt der Fokus auf der Symptomkontrolle und, soweit möglich, auf der Ursachenbehandlung. Besonders die seelischen und sozialen Bedürfnisse der Patienten und ihres sozialen Umfelds gilt es herauszufinden und zu stillen. Darüber reden, auch über den bevorstehenden letzten Weg – darauf legt das Team in der Palliativstation Hohenems großen Wert.

Kann man Sterben lernen?

Gleich vorweg: Nein, Sterben kann man nicht lernen – und sich auch nicht daran gewöhnen. Lernen kann man allerdings den Umgang mit diesem Teil des Lebens. Wobei dies oft weniger für den Sterbenden gilt als vielmehr für die Angehörigen. Insgeheim hegen viele den Wunsch, zu Hause zu sterben, doch darüber nachdenken oder gar reden möchten nur die Wenigsten. Im Gegenteil: Wir klammern den Tod aus, drängen ihn an den Rand der Gesellschaft. Sterben sollte möglichst rasch, im Spital oder im Altersheim, auf alle Fälle aber in Abgeschiedenheit stattfinden. Dabei ist das Sterben ein wesentlicher Teil des Lebens, betont Dr. Gehmacher. „Die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit nimmt einen wichtigen Stellenwert im Leben ein. Auf der Station versuchen wir genau das zu vermitteln – den Patienten und ihren Angehörigen. Bei uns wird nicht nur auf das Sterben gewartet, sondern es herrscht intensives Leben bis zuletzt.“

Gemeinsam auf den letzten Weg

Gefordert sind vor allem die Pflegerinnen und Pfleger – sie sind die, die rund um die Uhr beim Patienten sind. Und speziell bei der Betreuung von sterbenden Personen gilt es, einen Spagat zwischen Nähe und Distanz zu machen. Es braucht Feingefühl und Gespür für die Menschen und deren Situation, die so unterschiedlich sein können wie das Leben selbst. Ob Pflegefachkräfte mit der Zeit „besser“ mit dem Sterben umgehen können, darf bezweifelt werden. Mit dem richtigen Rüstzeug wird es aber immerhin ein wenig leichter.

Wie schaut der Abschied aus?

Eine Art Standardvorgehen bei der Begleitung von Sterbenden gibt es freilich nicht, denn jede Situation ist anders und hängt vom Patienten, seinem Alter, seiner Erkrankung, seiner Familiensituation und vielem mehr ab. Nicht selten benötigen ohnedies die Angehörigen weitaus mehr Zeit und Zuspruch als die Betroffenen – insbesondere wenn es darum geht, sich mit dem nahenden Tod des geliebten Menschen auseinanderzusetzen. Dafür sei es wichtig, sich die Frage zu stellen, wie der Abschied ausschauen soll – und zwar der des Angehörigen wie der eigene. Die Familie wird mitbetreut: „Viele tun sich schwer beim Ablösen und Loslassen. Daher versuchen wir, die Menschen durch Gespräche dort abzuholen, wo sie gerade stehen“, erklärt Dr. Gehmacher.

Nein, Sterben kann man nicht lernen. Aber man kann lernen, damit umzugehen – nicht nur mithilfe von Symptomkontrolle und Schmerzlinderung, sondern auch durch den Erhalt von Würde bis zuletzt und durch Vermitteln von Geborgenheit. Letztendlich geht es darum, dass der sterbende Mensch wie auch seine Angehörigen akzeptieren, dass der Tod sehr nah ist. Und vor allem, dass er genauso zum Leben gehört wie die Geburt.

 

Factbox: Palliativstation am LKH Hohenems

2003 eingerichtet, 10 Betten, 200 stationäre Patienten 2015, 2 Ärztinnen und Ärzte (Vollzeit), 12 Pflegefachkräfte
Leitender Oberarzt: Dr. Otto Gehmacher
Pflegeleitung: DKGP Anna Frick
Interdisziplinäre Professionen: Medizin, Pflege, Physio- und Psychotherapie, Musiktherapie, Sozialarbeit, Seelsorge
Aufgabenbereiche: Schmerztherapie, Symptomkontrolle, Ethische Entscheidungsfindungen, Ganzheitliche Betreuung und Pflege, Psychische und spirituelle Begleitung, Begleitung von Angehörigen, Vorbereitung häuslicher Betreuung, Hilfe bei sozialrechtlichen Fragen wie Pflegegeld etc., Begleitung in der Sterbephase, Trauerarbeit

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