Herwig Wutscher

TTIP – Mythen und Fakten

März 2015

Waren es vor 20 Jahren noch Horrorgeschichten über Blutschokolade und Läusejoghurt, die anlässlich der Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur EU verbreitet wurden, so wird heute anlässlich der Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) in durchaus ähnlichem Duktus vor Chlorhuhn und Co. gewarnt.

Doch was ist wirklich dran an den Vorwürfen der Kritiker? Um für etwas Klarheit zu sorgen, sollen im Folgenden vier der am häufigsten geäußerten Bedenken auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden.

„Wegen TTIP landen Chlorhuhn und Hormonfleisch in unseren heimischen Supermarktregalen“

Die USA und die EU verhandeln im Rahmen von TTIP grundsätzlich über die Anerkennung von Bestimmungen betreffend die technische Sicherheit, den Gesundheits-, Lebensmittel- und Hygieneschutz. Die Kommission, die die Verhandlungen aufseiten der EU führt, hat aber stets betont, dass eine Anerkennung nur dann erfolgen kann, wenn die jeweiligen Vorschriften äquivalente Schutzziele verfolgen. Dies ist bei Hormonfleisch und Chlorhuhn jedoch nicht der Fall, weshalb diesbezügliche Bedenken nicht gerechtfertigt sind. Im Übrigen gibt es auch aufseiten der US-Konsumenten Bedenken hinsichtlich europäischer Lebensmittelstandards. So ist in den USA der Verkauf von Rohmilchkäse aus Gründen des Gesundheitsschutzes untersagt, während er in der EU als Delikatesse angesehen wird. Welche Lebensmittel als unbedenklich gelten, ist also eine zutiefst kulturelle Frage, woran auch TTIP nichts ändern will und wird.

„TTIP ist ein Geheimabkommen, das hinter verschlossenen Türen verhandelt wird“

Richtig ist, dass die Verhandlungsgespräche zwischen den USA und der EU nicht in aller Öffentlichkeit geführt werden. Die EU hat jedoch weitreichende Maßnahmen ergriffen, um die Transparenz der Verhandlungen zu verbessern. So berichtet die Kommission regelmäßig in öffentlichen Sitzungen über den Verhandlungsfortschritt und hat zahlreiche Verhandlungstexte auf ihrer Homepage veröffentlicht. Auch das Verhandlungsmandat der Mitgliedstaaten ist mittlerweile öffentlich verfügbar. Bei ihren Transparenzbemühungen muss die Kommission stets eine sorgfältige Abwägung zwischen erhöhter Transparenz und einem optimalen Verhandlungsergebnis treffen. Würde sie nämlich alle Verhandlungstexte bereits im Vorfeld veröffentlichen, könnte sie sich mit ihren Forderungen nur schwer gegen die USA durchsetzen. Man denke nur an Kollektivvertragsverhandlungen, bei denen die Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite bereits im Vorfeld preisgibt, wo ihre Schmerzgrenze liegt. Eine derartige Verhandlungsstrategie würde wohl kaum auf das Wohlwollen jener Personen treffen, zu deren Vorteil die Verhandlungen geführt werden.

„TTIP gefährdet unseren Vorarlberger Bergkäse“

Der Tiroler Speck ist, ebenso wie einige andere regionale Spezialitäten, als geografische Bezeichnung in der EU geschützt. Daran wird sich auch durch TTIP nichts ändern. Vielmehr versucht die Kommission zu erreichen, dass auch in den USA ein äquivalenter Schutz gewährt wird. Kann sich die EU mit ihren Forderungen durchsetzen, dürfte also künftig auch auf dem US-Markt der Tiroler Speck nur mehr aus Tirol kommen, was heute noch nicht der Fall ist. Es geht also darum, den Schutz unserer Spezialitäten auf die USA auszuweiten und keinesfalls darum, ihn in der EU einzuschränken.

„TTIP verleiht Unternehmen unfaire Sonderklagsrechte“

TTIP soll unter anderem auch ein eigenes Investitionsschutzkapitel umfassen, das Investoren Schutz vor Diskriminierung, Enteignung und unfairer Behandlung durch jenen Staat gewährt, in dem ein Investment getätigt wurde. Außerdem gibt es den Investoren die Möglichkeit, diese Schutzrechte vor unabhängigen internationalen Schiedsgerichten einzuklagen. So wird Investoren mehr Rechtssicherheit geboten und ein investitionsfreundliches Klima geschaffen, was letztlich für mehr Wirtschaftswachstum sorgt. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine neue Erfindung. Vielmehr bestehen weltweit bereits mehr als 3400 bi- bzw. multilaterale Investitionsschutzabkommen. Österreich allein hat über 60 solcher Abkommen abgeschlossen, ohne dass dadurch österreichische Schutzstandards beeinträchtigt worden wären. In der Vergangenheit ist es auf Grundlage der bestehenden Abkommen zu teilweise politisch unerwünschten Schiedsverfahren gekommen. TTIP soll künftig als Blaupause für einen grundlegend reformierten und modernen Investitionsschutz dienen, der den Bedenken der Kritiker Rechnung trägt.

Zusätzlich beruhigend mag auch die Tatsache wirken, dass das Freihandelsabkommen nach dem Abschluss der Verhandlungen noch durch das Europäische Parlament ratifiziert werden muss. Dieses ist gerade dabei, sich zu dem Abkommen zu positionieren. Jedoch ist jetzt schon klar, dass es das Abkommen nur dann ratifizieren wird, wenn europäische Standards nicht unterwandert werden. Auch ist davon auszugehen, dass TTIP ein sogenanntes gemischtes Abkommen darstellt, weshalb zusätzlich noch eine Ratifikation durch die nationalen Parlamente – und damit auch durch das österreichische – erfolgen muss.

Angesichts der stagnierenden europäischen Wirtschaft sollten wir uns nicht aufgrund von Emotionen einem Abkommen verschließen, das das Potenzial in sich birgt, für mehr Wachstum und Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks zu sorgen.

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